Fragen
Regelmäßig gestellte Fragen
1. Woher weiß ich, ob ich wirklich hochsensibel bin?
Ein „Diagnoseverfahren” oder Ähnliches gibt es für Hochsensibilität nicht. Zwar existieren diverse
Fragebögen, die mehr oder weniger stark den Anspruch erheben, ein aussagekräftiges Ergebnis zu liefern. Der IFHS ist
in dieser Hinsicht allerdings etwas skeptischer; wir empfehlen, eine Weile den Gedanken, eine HSP zu sein, quasi
versuchsweise mit sich herumzutragen und nach einiger Zeit zu prüfen, ob sich die Lebensqualität gebessert hat
oder man nach anderen Erklärungen für ein besonderes Lebensgefühl suchen muss.
Auf jeden Fall kann man sich für Hochsensibilität nichts kaufen, weshalb eine belastbare „Diagnose”
auch keine unmittelbaren Konsequenzen hätte. Der Terminus kann allerdings helfen, dass einE BetroffeneR das eigene
Leben etwas mehr der Veranlagung entsprechend gestaltet und auch von ihren positiven Seiten profitiert.
Ein Beispiel für einen Selbsttest wäre jener, den die Zeitschrift Psychologie Heute auf ihrer Website anbietet unter:
https://www.psychologie-heute.de/leben/artikel-detailansicht/43389-test-bin-ich-hochsensibel.html.
2. Was habe ich davon, hochsensibel zu sein?
Wenn Sie nicht unter Ihrer Hochsensibilität leiden – umso besser. Dann brauchen Sie über das Thema im Grunde
nicht weiter nachzudenken.
Das Wissen, hochsensibel zu sein, hilft allerdings vielen Menschen, ihr Leben besser in den Griff zu
kriegen: im Bewusstsein ihrer Besonderheit ihr Leben angenehmer zu gestalten.
Viele Hochsensible leiden speziell darunter, dass sich ein massiver Anpassungsdruck einstellt: Man glaubt, die
eigenen Maßstäbe dafür, was gut tut, was man aushalten kann, seien falsch, und versucht krampfhaft, so zu sein wie
alle anderen. Mit Kenntnis des Terminus fällt dieser Anpassungsdruck häufig sofort weg und es stellt sich eine
umfassende Erleichterung ein; nicht nur ein Stein, sondern Gebirgsketten fallen vom Herzen. Die Erfahrung dieses
Gebirgsketteneffekt war Motiv für die Gründung des IFHS.
– Vgl. zum Gebirgsketteneffekt den Aufsatz Analogon Turmerlebnis, Intensity 3.
3. Wo finde ich vor Ort Angebote zum Thema Hochsensibilität?
Der IFHS hat damit begonnen, eine Kontaktliste aufzubauen. Sie findet sich im Internetauftritt in dem Bereich Kontakte vor Ort und wird fortlaufend gepflegt. Mögliche Angebote sind örtliche
Kontaktpersonen, Gesprächskreise, Informationsabende etc. Wir stehen erst am Anfang unserer Arbeit.
4. Wo finde ich SpezialistInnen, die sich mit Hochsensibilität auskennen?
Zunächst sollten Sie versuchen, in neuerworbener Kenntnis Ihrer Besonderheit gezielt IhreN Arzt/Ärztin,
TherapeutIn oder ErziehungsberaterIn auf das Thema Hochsensibilität anzusprechen oder ganz allgemein anzudeuten, dass
Sie bzw. Ihr Kind etwas sensibler sind/ist. Zur Unterstützung von Gesprächen dieser Art hat der IFHS ein
Informationsblatt für VertreterInnen von Heilberufen zusammengestellt (sehe Rubrik
Gesundheitsdienst). Lesen Sie sich aber bitte die dort angegebenen
Informationen durch, bevor Sie den Text einsetzen!
Ansonsten ist die Vernetzung von ÄrztInnen, TherapeutInnen und/oder ErziehungsberaterInnen, die sich mit
Hochsensibilität auskennen, eines der Anliegen des IFHS. Die Arbeit hat freilich gerade erst begonnen, insofern kann
an dieser Stelle in erster Linie nur die Empfehlung gegeben werden, sich selbst auf die Suche nach verständnisvollen
Fachleuten zu machen.
5. Ist das Ganze wissenschaftlich anerkannt?
Kurze Antwort: Ja.
Ausführliche Antwort: Die Feststellung, dass manche Menschen sensibler sind als der Durchschnitt, dürfte allgemeiner Wahrnehmung
entsprechen und daher trivial sein. Prämisse der Arbeit des IFHS ist jedoch, dass es angemessen und im therapeutischen
Kontext (im weitesten Sinne) sinnvoll ist, von der Existenz eines Phänomens (Validität eines Konstrukts) namens
„Hochsensibilität” auszugehen. Hier stellt sich die Frage, ob dieser Begriff „wissenschaftlich anerkannt” ist.
Dieser Frage liegt die Vorstellung zugrunde, es ließe sich klar beantworten, was „wissenschaftlich
anerkannt” ist, als gäbe es eine Art zentraler Institution, die darüber entscheidet und abschließend befindet.
Wissenschaft funktioniert aber anders: Neue Ideen und Theorien werden zunächst von Einzelnen in der
Fachpresse veröffentlicht. Im Laufe der Zeit – dies kann sehr lange dauern – werden die neuen Thesen durch weitere
Forschungen bestätigt, widerlegt oder verfeinert. Bis eine Position herrschende Meinung oder sogar allgemeine Ansicht (communis opinio) wird, ist es aber meist ein weiter Weg.
Der Ausdruck sensory processing sensitivity als wissenschaftlicher Terminus für Hochsensibilität existiert seit einer grundlegenden
Veröffentlichung im (hoch angesehenen)
Journal of Personality and Social Psychology aus dem Jahre 1997. Inzwischen gibt es eine Vielzahl von Studien,
die Unterschiede in der individuellen Reizverarbeitung unter diesem und anderen Stichwort(en) – etwa
differential susceptibility theory oder
biological sensitivity to context theory – untersucht haben: Dass Menschen unterschiedlich und manche
besonders stark auf Reize reagieren, darf als gesichert gelten.
Unklar ist zur Zeit allerdings noch, inwieweit das psychologische Konzept der sensory processing sensitivity als solches die biologischen und psychischen Realitäten zutreffend abbildet.
Die Verwendung des Begriffes ist damit aus wissenschaftlicher Sicht zumindest
nicht unzulässig; der IFHS stellt sich hier auf die pragmatische Position, derzufolge die Benutzung
des Begriffes legitim ist, solange er dazu dient, Menschen zu helfen.
Nicht unerwähnt sei, dass Mitte 2023 zwei Autoren eines Aufsatzes im Psychotherapeutenjournal, einem Fachmagazin für Mitglieder der Psychotherapeutenkammern, also Psychotherapeuten mit Approbation, das von der Psychotherapeutenkammer Bayern herausgegeben wird, davon sprechen, dass in ihren Augen die wissenschaftliche Befundlage zu Hochsensibilität „mittlerweile überzeugend und stark” sei; der Text kann gelesen werden unter
https://www.psychotherapeutenjournal.de/ptk/web.nsf/gfx/med_dome-cste3j_87907/$file/PTJ_2023-2_Artikel%20Krampe%20&%20van%20Randenborgh.pdf.
– Vgl. zu HS-Forschung mit bildgebenden Verfahren der Hirnforschung den Aufsatz
In die Röhre gucken, Intensity 6.
– Vgl. zur DST und zur BSCT den Aufsatz
Parallelkonzepte, Intensity 8.
6. Sind nicht alle Menschen sensibel?
Eine Vielzahl von Personen empfindet aufgrund von Informationen wie jenen auf dieser Seite ein Gefühl
existenzeller Erleichterung, das Indiz für ein tiefgreifendes Unterschiedlich-Sein ist. Das Spektrum an angenehmen
Tätigkeiten und Empfindungszuständen unterscheidet sich zwischen HSP und Nicht-HSP so stark, dass etwas dran sein muss.
Ob der Terminus hochsensibel als solcher richtig gewählt und das, was hier als Hochsensibilität bezeichnet wird, nicht Unterfall eines anderen psychologischen Phänomens ist, wird die Zeit zeigen. Die
„Andersartigkeit” eines Teiles der Menschen als solche wird kaum bestreitbar sein.
7. Was hat Hochsensibilität mit anderen psychischen Phänomenen oder gar Krankheiten zu tun?
Hochsensibilität als solche wird vom IFHS nicht als Krankheit, sondern als Phänomen betrachtet, das Vor- und
Nachteile mit sich bringt. Zu den Nachteilen kann eine höhere Anfälligkeit für psychische (nicht:
grob-hirnorganische) Erkrankungen gehören. Namentlich gibt es Anhaltspunkte dafür, dass Hochsensible, die in Kindheit
und/oder Jugend auf ungünstige Umweltbedingungen treffen, leichter die sog.
Ängstliche (vermeidende) Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F 60.6) entwickeln. Sie äußert sich in pathologisch
starken Gefühlen der Unzulänglichkeit, die das soziale Leben Betroffener nachhaltig beeinträchtigen können.
Anscheinend hat die Fragestellung nach der Abgrenzung von Hochsensibilität und der Aufmerksamkeitsdefizit- und
-Hyperaktivitätsstörung (AD(H)S) eine gewisse Prominenz. Faustregelartig ist hierzu zu sagen, dass an AD(H)S erinnernde Symptomatik
bei „nur” Hochsensiblen vollständig verschwinden müsste, sofern diese Menschen einem Niveau an Reizeindrücken
ausgesetzt sind, das für sie angenehm ist.
Eine nicht der eigenen Hochsensibilität angepasste Lebensweise ist allerdings in jedem Fall ein
Gesundheitsrisiko. Das gilt freilich nicht nur für psychische, sondern auch für psychosomatische Erkrankungen.
– Vgl. zur Abgrenzung zwischen Hochsensibilität und Psychopathologien den Aufsatz
Ausflug in die Psychiatrie, Intensity 2.
– Vgl. zur Abgrenzung zwischen Hochsensibilität und Psychopathologien ferner den Anhang des Buches Aron, Elaine N., Hochsensible Menschen in der Psychotherapie
(Amazon,
Rezension).
8. Was hat Hochsensibilität mit Hochbegabung zu tun?
Gute Frage. Die Frankfurter Psychologin Andrea Brackmann vertritt die These, so gut wie jedeR Hochbegabte sei
automatisch hoch sensibel (sie scheint den Terminus Hochsensibilität als solchen aber nicht zu kennen). In der Tat
sind ihre Beschreibungen von Hochbegabung und Hochsensibilität teilweise nahezu wortgleich. Auch andere Psychologen,
die (therapeutisch) mit Hochbegabten arbeiten, berichten davon, dass jedenfalls regelmäßig Hochsensibilität bei
dieser Personengruppe „ein Thema” sei.
Wir vermuten allerdings, dass diese Wahrnehmungen
Artefakte der therapeutischen Situation sind: Es dürften speziell hochsensible Hochbegabte sein, die
(psycho)therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen. Aufgrund persönlicher Erfahrungen glauben wir nicht an eine besondere
Korrelation von Hochsensibilität und Hochbegabung.
9. Bin ich als Normalo jetzt unsensibel?
Wer von sich sagt, hochsensibel zu sein, der sagt damit nicht im Umkehrschluss, dass alle anderen „unsensibel” wären. Dieses Missverständnis kann deshalb entstehen, weil der präzise englische Fachausdruck
sensory-processing sensitivity nur unzureichend mit den Ausdruck hochsensibel ins Deutsche übersetzt wird. Hochsensibilität bedeutet eine neurologische Besonderheit, nicht besondere emotionale Fähigkeiten.
So durfte sich auch der Verfasser etwa einst von einer Dame anhören, er sei „so unsensibel”.
[27.06.24]