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Nichtfiktionale Bücher, eBooks und Audio-CDs

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Aron, Elaine, Sind Sie hochsensibel? (amazon)

Das Buch „Sind Sie hochsensibel?“ ist die im Jahr 2005 erschienene deutsche Übersetzung des 1997 veröffentlichten Klassikers „The Highly Sensitive Person: How to Thrive When the World Overwhelms You“ der amerikanischen Psychologin Elaine Aron, die das Konstrukt der Hochsensibilität (sensory processing sensitivity) postuliert hat. Es gilt in Deutschland neben dem 2003 erschienenen Buch „Zart besaitet“ des österreichischen Autors Georg Parlow als eines der beiden einführenden Standardwerke zum Thema in deutscher Sprache.

Zu Beginn des Vorworts betont Aron, Vorhaltungen der Umwelt riefen bei vielen Hochsensiblen den Eindruck hervor, mit ihnen sei etwas nicht in Ordnung, was aber eben unrichtig sei. Aron erzählt kurz ihren eigenen Weg, der sie dazu geführt habe, zum Thema Reizempfindlichkeit zu forschen, und betont, dass Selbsterkenntnis der erste Schritt auf dem Weg zur Verbesserung der Lebensqualität von Hochsensiblen sei. Es schließt sich der bekannte Selbsttest zur Hochsensibilität an, bei dem es sich um eine komprimierte Version eines zu Forschungszwecken entwickelten Fragebogens handelt.

Im ersten Kapitel, in dem die „wichtigsten Fakten“ zum Konstrukt vorgestellt werden sollen, schildert Aron am Beispiel einer Studentin das Gefühl, aufgrund von Reizempfindlichkeit einen Makel zu besitzen. Alle Menschen strebten nach einem für sie angenehmen Niveau von Reizeindrücken; dieses sei jedoch nicht objektiv festgelegt. Hochsensible nähmen mehr Reize wahr und litten deshalb leichter unter Reizüberflutung; Aron nennt aber auch beispielhaft besondere Kompetenzen, die bei Hochsensiblen festzustellen seien, so etwa einen besseren Blick für Details. Hochsensible erfüllten in der Gesellschaft eher die Rolle eines priesterlichen Ratgebers als die eines kriegerischen Königs; Hochsensible müssten sich von aktuellen gesellschaftlichen Erwartungshaltungen befreien, die Sensibilität eher skeptisch gegenüberständen.

Im vertiefenden zweiten Kapitel zeigt Aron anhand von einem Zwillingsgeschwisterpärchen auf, dass bei Hochsensiblen viele Kleinigkeiten (etwa Schlafverhalten) anders seien. Es sei festgestellt worden (Kagan), dass etwa 20 % der Kinder reaktiv seien und einen höheren Cortisolspiegel (Stresshormon) aufwiesen. Das menschliche Temperament sei durch das Zusammenspiel eines Aktivierungs- und eines Achtsamkeitssystems bestimmt; bei Hochsensiblen sei das Achtsamkeitssystem wohl stärker. Kinder seien aber durchaus bereit, etwas Neues kennenzulernen, wenn Eltern Geborgenheit vermittelten. Der Cortisolspiegel könne etwa durch Schlaf reduziert werden. Aron deutet an, dass C. G. Jung sich über Hochsensible geäußert habe; für ihn seien Traumatisierungen Ursache für Neurosen gewesen.

Im dritten Kapitel befasst sich Aron mit Maßnahmen zur Steigerung des Wohlbefindens. Prominenteste Strategie sei das Verständnis des eigenen Körpers als empfindlicher Säugling. Entwickelten hochsensible Kinder einen sicheren Bindungsstil, könnten sie die Kompetenz entwickeln, mit Überreizung umzugehen; Überfürsorglichkeit sei aber kontraproduktiv, da das Kind nicht lerne, die Welt zu ertragen. Im Rahmen einer Aufarbeitung der Erfahrungen der ersten Lebensjahre sei die Hauptfrage, inwieweit die erste Bezugsperson Sicherheit gegeben habe. Aron nennt Kriterien zur Bestimmung, ob man sich eher nach Innen oder nach Außen wende; hier sei ein Balanceakt gefordert. Was vergnüglich sei, sollte nicht von nicht-HSP definiert werden. Aron liefert handfeste Tipps zur Reduzierung von Überreizung: Meditation, Aussteigen aus der belastenden Situation, Schaffung von Orten der Geborgenheit oder bewusste Ausblendung von Reizen.

Im vierten Kapitel geht es um eine Neubewertung der Kindheit und Jugend. Ängstlichere Hochsensible hätten tendenziell eine schwierigere Kindheit gehabt; die entsprechenden Probleme könnten aber aufgearbeitet werden. Sensibilität dürfe nicht mit Neurotizismus verwechselt werden. Hochsensible hätten als Erwachsene eine Neigung zu Bindungsschwierigkeiten; bei positiven Rahmenbedingungen in der Kindheit seien HSP aber außergewöhnlich gesund und resilient. Schüchterne Jungen werde u. U. schon von ihren Müttern vermittelt, dass ihr Wesenszug problematisch sei. Im Rahmen eines „Nachbeelterns“ könnten Hochsensible Strategien zur Bewältigung der Angst vor Neuem entwickeln. Schwierigkeiten in der Schule seien nicht selten; als Trost bietet Aron hier den Hinweis darauf an, dass intelligente Persönlichkeiten regelmäßig berichteten, es in der Schule nicht leicht gehabt zu haben. Das „Erwachsenwerden“ zu verzögern sei eine gute Strategie, um Zeit zu gewinnen für die Entwicklung von Bewältigungsstrategien.

Im fünften Kapitel behandelt Aron soziale Beziehungen. Hier plädiert sie zunächst dafür, das Temperamentsmerkmal Empfindsamkeit nicht mit Schüchternheit zu verwechseln. Letztere entstehe bei Hochsensiblen oft durch prägende Erfahrungen der sozialen Insuffizienz, sei also erlerntes Verhalten. Soziales Unbehagen könne Folge nervlicher Überstimulierung in entsprechenden Situationen sein; Aron gibt hier Tipps für den Umgang mit Sozialkontakten. 70 % der HSP neigten zur Introversion; sie bevorzugten wenige aber intensive Beziehungen und seien in Bezug auf Massenveranstaltungen skeptisch. Aron verteidigt Introversion u. a. unter Bezugnahme auf C. G. Jung als gesellschaftlich benötigtes Persönlichkeitsmerkmal. Für die Meisterung sozialer Kontakte empfiehlt Aron eine Persona, eine Maske: HSP sollten höflich, aber nur selektiv offen sein. Das Kapitel schließt mit konkreten Tipps; so ließen sich zum Beispiel Vorträge durch gute Vorbereitung meistern.

Der Beruf ist das Thema des sechsten Kapitels. Aron weist darauf hin, dass ein Beruf häufig nicht unbedingt der Berufung entspreche: So habe Einstein einen ruhigen Job im Patentamt gehabt, um sich in der Freizeit seinen Forschungen widmen zu können. Früher oder später würden sich allerdings Fragen der Selbstverwirklichung aufdrängen; ein geringes Selbstbewusstsein könne hier hinderlich sein. Aron listet „typische“ Berufe für Hochsensible auf und sagt, um seine Berufung leben zu können müsse man u. U. einen völlig neuen Beruf entwickeln. Selbständigkeit habe den Vorteil, dass man seine Arbeitsbedingungen besser kontrollieren könne. Speziell in helfenden Berufen sei Burnout ein Risiko. Hochsensible benötigten das Gefühl, dass sie bei ihrer Arbeit Werte leben. Die sozialen Beziehungen auf der Arbeitsstelle sollten, so Aron, besser oberflächlich bleiben; eine Neigung zur Absonderung ließe HSP aber zur Zielscheibe werden und Beförderungen verhindern. HSP zeitigten häufig kein karrierebewusstes Verhalten; Aron empfiehlt hier, ab und an auf den ‚inneren Machiavelli‘ zu hören.

Verliebten sich HSP – Liebe ist das Thema des siebten Kapitels – erfolge dies häufig heftig, was mit einer absurden Idealisierung des Anderen einhergehen könne; Aron diskutiert Gründe hierfür und benennt als mögliche Ursache, dass Bedürfnisse aus der Kindheit in die Beziehung eingebracht würden. Aron warnt davor, dass körperliche Erregung ein Gefühl des Verliebt Seins vorgaukeln könne; ein weiterer möglicher Grund für ein leichtes Verlieben sei ein geringes Selbstwertgefühl. Potenzielle hochsensible Partner ließen sich u. U. leichter bei typischen Veranstaltungen für die entsprechende Zielgruppe finden. Eine Beziehung zwischen HSP sei evtl. langweilig aber ein „sicherer Hafen“; eine Beziehung zwischen einer HSP und einer nicht-HSP könne angesichts einer Aufgabenteilung in der Beziehung zur Abhängigkeit führen. Der nicht-HSP-Partner könne u. U. Schwierigkeiten haben, zu akzeptieren, dass unterschiedliche Bedürfnisse nach Aktivitäten bestünden. Aron empfiehlt Regeln für Kommunikation in Konfliktsituationen. Beim Sex hätten HSP weniger das Bedürfnis nach Abwechslung.

Verletzungen in Kindheit und Jugend sind das Thema im achten Kapitel. Hochsensible Kinder benötigten spezielle Zuwendung; unter anderem deshalb solle man durchaus seiner eigenen Einschätzung, man habe eine schwierige Kindheit gehabt, vertrauen, auch wenn andere Biographien äußerlich problematischer erschienen. Eine schwierige Kindheit könne zur Konsequenz haben, dass eine HSP gewissenhafter und tiefgründiger sei und mehr Verständnis für Andere habe. Aron diskutiert Formen der Psychotherapie, legt nahe, dass Verhaltenstherapie für HSP zu präferieren sei und warnt vor den Problemen der Übertragung in einem psychoanalytischen Setting.

Im zehnten Kapitel spricht Aron über medizinische Behandlungen; HSP zeigten generell stärkere nervliche Reaktionen, was im Rahmen von Diagnostik und Therapie berücksichtigt werden müsse. Namentlich auf Medikamente reagierten Hochsensible stärker; insoweit sollte möglicherweise mit geringeren Einstiegsdosen gearbeitet werden. Hochsensible seien auch ängstlicher und schmerzempfindlicher. Wichtig sei ein Arzt, der Verständnis für die Sensibilität aufbringe. Aron diskutiert die Wirkung von Antidepressiva und die Frage, ob HSP Serotoninförderer einnehmen sollten.

Spiritualität ist das Thema des zehnten Kapitels. HSP hätten eine verstärkte Neigung zu spirituellen Erfahrungen und Erlebnissen; wahrscheinlich weil sie sich am extremen Ende einer Dimension der Sensibilität befänden strebten sie in stärkerem Maße Vollständigkeit an. HSP würden als priesterliche Ratgeber gebraucht; sie verfügten über eine spezifische Stärke, mit der sie u. U. besser geeignet seien, Leid und Bosheit zu ertragen.

Das Buch schließt mit zusammengestellten konkreten Ratschlägen für medizinisches Fachpersonal, Arbeitgeber und Lehrer.

Es ist für Hochsensible, die frisch zum Thema gekommen sind, durchaus empfehlenswert, zunächst ein einführendes Werk zur Hand zu nehmen, um den Facettenreichtum möglicher Erscheinungsformen von Hochsensibilität kennenzulernen und möglicherweise Facetten der eigenen Hochsensibilität zu entdecken, die zuvor übersehen wurden. Hierfür muss man nicht zwingend die Bücher von Aron und Parlow konsultieren, aber „man macht nichts falsch“, wenn man sich den Klassikern zuwendet. Die Frage, ob das Buch von Aron oder jenes von Parlow, das veröffentlicht wurde, als Arons Werk noch nicht in deutscher Sprache vorlag, besser ist, ist wahrscheinlich objektiv nicht zu beantworten.

Autor: Michael Jack
Im Jahre 2016 nur im Internet veröffentlicht

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Parlow, Georg, Zart besaitet (amazon)

Das Buch „Zart besaitet“ des Wiener Autors Georg Parlow war beim Erscheinen der 1. Auflage im Jahr 2003 das erste deutschsprachige Buch, das sich ausschließlich mit Hochsensibilität beschäftigte. Vermutlich erstens deshalb, zweitens aber wohl auch, weil es eine solide Einführung in das Thema darstellt, entwickelte es sich neben dem 2005 erschienenen „Sind Sie hochsensibel?“ der amerikanischen Psychologin Elaine Aron zu einem der beiden „Standardwerke“ in deutscher Sprache. Im Jahr 2015 erschien die 4. Auflage von „Zart besaitet“; zu jener Zeit, so schreibt der Autor in dem Vorwort zu dieser Auflage, kursierten etwa 100.000 Exemplare des Buches.

Das erste, relativ kurze Kapitel – Freude und Last – bietet eine kurze Erläuterung der in Rede stehenden Problematik. Gesellschaftlich werde zwar, so schreibt Parlow, theoretisch durchaus akzeptiert, dass manche Menschen sensibler seien als andere. Praktische Konsequenzen würden hieraus allerdings nicht gezogen. In Bezug auf Stimulation durch Reize hätten Menschen unterschiedliche Behaglichkeitszonen: Weder Unter- noch Überstimulation sei angenehm. Bei Hochsensiblen führe nun eine höhere Reizaufnahme zu dem früheren Erreichen eines Zustandes der Überstimulation; sie hätten (damit) insoweit eine andere Behaglichkeitszone. Die höhere Reizaufnahme führe zwar zu gründlicherer Reizverarbeitung; trotzdem hätten Hochsensible häufig das Gefühl, dass etwas mit ihnen nicht stimme.

Die allgemeinen Besonderheiten hochsensibler Personen (HSP) sind Gegenstand des zweiten Kapitels. Die höhere Reizempfindlichkeit des Nervensystems habe seine Ursache in einer Schwäche der natürlichen Reizfilter. Als Beispiele für Eindrücke, die besonders intensiv wahrgenommen werden könnten, nennt Parlow Luftqualität (namentlich Gerüche), Geräusche (das Hintergrundradio ist prominentes Thema) und optische sowie taktile Reize. Empfindlichkeit für Druck, Hitze und Kälte führen zur Erinnerung an das Märchen von der Prinzessin auf der Erbse. Eine Gewöhnung an unangenehme Reize werde erschwert.

Innerpsychisch hätten Hochsensible ein reiches Innenleben und wiesen angesichts eines Denkens in größeren Zusammenhängen bei tiefer Reflexionsfähigkeit ausdifferenzierte Gedankengebäude auf. Aufgrund ihrer lebhaften Vorstellungskraft seien sie teilweise zu verblüffend akkuraten Vorhersagen in der Lage. In Bezug auf andere Menschen hätten sie ein ausgeprägtes Sensorium für Emotionen bzw. Beziehungen und starke Intuition.

Die tiefe Reizverarbeitung führe allerdings dazu, dass entsprechende „Speicher“ schneller voll seien; daneben hätten Sinneseindrücke die Tendenz, stärker nachzuwirken. Zentrales Merkmal der Hochsensiblen sei eine Tendenz zu Überstimulation sowie ein Leiden unter Begleitempfindungen dieser Überreizung.

Ihre ausgeprägte Empathie erschwere Hochsensiblen Rücksichtslosigkeit; sie seien sogar häufig von Schuldgefühlen geplagt. Sie wiesen einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und eine hohe Fehlersensibilität auf; in Prüfungssituationen seien sie eher eingeschränkt leistungsfähig. Ihren Mitmenschen dienten sie häufig als „menschliche Klagemauer“, also als Zuhörer für Nöte. Aufgrund einer ausgeprägten Harmoniesucht schluckten sie Dissens häufig herunter. Hochsensible seien tendenziell schmerzempfindlich und litten stark unter Hunger.

Im dritten Kapitel – Mehr Fakten und Vermutungen – stellt Parlow wissenschaftliche Vorläufer des Konstruktes der Hochsensibilität dar. Jung habe unter dem Label Introversion einiges über Hochsensible gesagt. Pawlow habe festgestellt, dass sich Menschen bei zu viel Reizüberflutung komplett verschlössen; zu seiner Überraschung sei diese transmarginale Hemmung bei 15 % der Probanden früher aufgetreten, was ihn zu der Feststellung veranlasst habe, dass diese Menschen ein eigener Menschenschlag seien. Heute sei bekannt, dass Hochsensible eine hohe Menge an Neurotransmittern aufwiesen. Parlow erwähnt auch Jerome Kagan, der u. a. festgestellt habe, dass manche Säuglinge von Geburt an eine geringere Stressresistenz aufwiesen.

Die alte Frage, wo denn all die Hochsensiblen sein, wenn wirklich jeder Fünfte betroffen sein sollte, beantwortet Parlow u. a. unter Verweis auf die große Vielfalt von Erscheinungsformen von Hochsensibilität. Viele Betroffene seien auch bemüht, ihre Hochsensibilität zu verstecken. Kurz thematisiert Parlow das Zusammenspiel zwischen Annäherungs- und Rückzugssystem im menschlichen Nervensystem; bei Hochsensiblen sei das Rückzugssystem stärker ausgeprägt.

Hochsensible hätten häufiger Schwierigkeiten, sich auf Veränderungen einzustellen, und neigten dazu, leicht zu erschrecken. Sie wiesen im Umgang mit anderen Menschen häufig eine geradezu kindliche Naivität auf und erlebten schneller Gefühle der Verbundenheit. Weltschmerz und Vegetarismus seien häufiger bei ihnen anzutreffen; fast alle Künstler, so Parlow, seien hochsensibel.

Hochsensibilität sei angeboren und der Gattung Mensch insgesamt nützlich; Parlow gibt hier die Unterscheidung Arons zwischen agierenden Kriegern und reflektierenden Priestern wieder, deren Zusammenspiel eine Gesellschaft erfolgreich mache. Insgesamt sei Hochsensibilität ein Gesamtpaket mit Vor- und Nachteilen.

Das Kapitel vier thematisiert Körperliche und seelische Gesundheit. Hochsensible bemerkten Krankheiten manchmal früher, als sie medizinisch festgestellt werden könnten. Es bestehe eine höhere Neigung zu Allergien. In Bezug auf Medikamente schreibt Parlow, die benötigten Dosen entsprächen jenen bei Nicht-Hochsensiblen, allerdings bemerkten Hochsensible Nebenwirkungen früher. Dauerstress führe zu einem höheren Cortisolspiegel, was jedenfalls auf Dauer Krankheiten verursachen könne. Aufgrund einer erhöhten psychoemotionalen Verletzlichkeit bestehe ein erhöhtes Krankheitsrisiko, auch wenn Hochsensibilität selbst keine Erkrankung sei.

Wichtig für das Selbstvertrauen sei Bestätigung, dass eigene Wahrnehmungen richtig seien. Der Versuch, einem hochsensiblen Kind die eigene Empfindlichkeit abzutrainieren, rufe nur Verletzungen hervor. Ursache für mangelndes Selbstwertgefühl sei vor allem die Erfahrung, Vorwürfen ausgesetzt zu sein, nicht dem kulturellem Ideal zu entsprechen und anscheinend außerhalb von Krisensituationen geringer belastbar zu sein. In Krisensituationen seien Hochsensible hingegen häufig erstaunlich leistungsfähig und zäh.

Parlow unterscheidet zwischen Hochsensibilität und Hochempfindlichkeit: Erstere sei ein angeborenes Persönlichkeitsmerkmal, letztere eine erworbene Empfindlichkeit, sich selbst betreffend.

Heilung von Verletzungen der Vergangenheit beginne mit Akzeptanz des Wesenszuges. Im Rahmen eines Refraimings könnten Verletzungen neu bewertet werden. Starallüren seien häufig Anzeichen von Hochsensibilität. Angesichts des Gefühls, defizitär zu sein, entwickelten manche Hochsensible ein kompensatorisches Überlegenheitsgefühl. Eine Zusammenarbeit mit Ärzten und Psychotherapeuten könne nur funktionieren, wenn die konkrete persönliche Beziehung stimme.

Im Kapitel fünf liefert der Autor Techniken für Selbstmanagement für hochsensible Menschen. Das hochsensible Nervensystem sei ein Präzisionswerkzeug. Ein Leben ohne Überstimulation sei nicht möglich.

Parlow stellt das heuristische Konzept des Kleinkindkörpers vor: Man solle sich seinen Körper oder sein Nervensystem als ein kleines Kind vorstellen, um das sich entsprechend gekümmert werden müsse. Erster Schritt erfolgreichen Selbstmanagements sei, diesem Kleinkindkörper mit Akzeptanz und Liebe zu begegnen. Belastungsgrenzen könnten ausgedehnt werden, man benötige aber trotzdem Orte und Zeiten für Rückzug. Essenziell sei genug Schlaf. Hilfreich könne auch sein, sich einen Freundeskreis aus Hochsensiblen aufzubauen. Im Situationen akuter Überstimulation empfiehlt Parlow, sich selbst gut zuzureden, sich abzulenken, die Körperhaltung zu ändern, andere Hochsensible in der entsprechenden Situation zu suchen, notfalls etwa mit Pflanzen zu sprechen und zu trinken.

Im Kapitel sechs – Zwischenmenschlichkeit – grenzt Parlow Hochsensibilität zunächst von Soziophobie ab. 70 % der Hochsensiblen seien introvertiert. In sozialen Beziehungen bevorzugten Hochsensible Qualität vor Quantität, hätten also im Zweifel lieber weniger Freundschaften, die aber sehr intensiv seien. Gruppen von nicht-HSP seien häufig frustrierend für HSP, weil zu schnelle Themenwechsel stattfänden.

HSP seien prädisponiert dafür, einen schlechten Bindungsstil zu entwickeln.

In Bezug auf zwischenmenschliche Beziehungen hätten Hochsensible hohe Ansprüche an Wahrheit und Tiefe der Beziehung. Sie verliebten sich leicht aufgrund einer Fehlattribution physiologischer Erregung (dieser psychologische Fachbegriff fällt bei Parlow nicht, er beschreibt das Phänomen aber der Sache nach); korrespondierend könne Verliebtheit ein Artefakt sein.

Unterschiedliche Sensibilität bei Paaren sei mit einer Konstellation unterschiedlicher Intelligenz vergleichbar. Wichtig seien in solchen Verbindungen Toleranz, Respekt und die Bereitschaft, Kompromisse in der Lebensgestaltung einzugehen. Wichtig sei es für eine Beziehung, gemeinsam Dinge zu erleben, die sowohl angenehm wie auch aufregend seien. Eine Gefahr einer Beziehung zwischen einer hochsensiblen Person und einer nicht-HSP sei, dass beide Partner in ihren jeweiligen Rollen erstarrten. Zwei Hochsensible in einer Beziehung liefen Gefahr, sich quasi nur noch auszuruhen. Auf jeden Fall benötigten die Partner Zeit für sich allein.

Hochsensible Mütter könnten angesichts der überstimulierenden Situation der Mutterschaft Wut, Verzweiflung und Fluchttendenzen erleben wegen der Überforderung in der Zeit nach der Geburt. Hier müssten Wege gefunden werden, sich die Verantwortung für das Kind zu teilen, damit für den hochsensible Elternteil Phasen ohne Verantwortlichkeit möglich seien. Im Kapitel sieben thematisiert Parlow Das weite Feld der Arbeit und steigt ein mit scheinbaren Kleinigkeiten, die am Arbeitsplatz entnerven könnten, etwa das Radio im Großraumbüro. Ein Streben nach Distanz zu Kollegen würde leicht missverstanden. Parlow empfiehlt, systematisch Smalltalk zu lernen und sich Kontaktpersonen zu suchen, die die Verbindung zu dem Arbeitskollektiv hielten. Für nicht-HSP könne Druck zur Steigerung der Produktivität durchaus hilfreich sein; auf Hochsensible wirke er eher kontraproduktiv.

Um die Herausforderungen zu bewältigen, die mit einer Präsentation einhergingen, sei gründliche Vorbereitung geboten. Gute Ideen müssten aktiv kommuniziert werden. Parlow beschäftigt sich auch mit der Frage, wie ein Meeting geleitet wird.

Hochsensible stellten sich bei ihrer Arbeit eher die Sinnfrage und hätten hohe ethische Ansprüche an ihr Tun. Angesichts ihrer großen Bereitschaft, auszuhelfen, optimierten sie Arbeitsabläufe. Problematisch etwa im Rahmen von Lohnverhandlungen sei, dass Hochsensible ein schwer definierbares Produkt anböten, es also kaum möglich sei, die Vorteile, die Hochsensible für das Unternehmen hätten, zu verbalisieren.

Parlow spekuliert über die Rolle Hochsensibler in der Phylogenese. Selbständigkeit sei nicht für alle Hochsensiblen geeignet. Gegen Ende des Kapitels diskutiert er Strategien zur Vermeidung von Mobbing.

Im letzten Kapitel thematisiert Parlow die Vorteile, den Reichtum, der mit Hochsensibilität einhergehen könne. In diesem Zusammenhang empfiehlt er etwa Intuitionstraining.

Der Umstand, dass „Zart Besaitet“ im Jahre 2003 das erste deutschsprachige Buch über Hochsensibilität werden sollte, hatte zur Konsequenz, dass der Autor so ziemlich jedes Thema, das für Hochsensible besondere Bedeutung haben kann, behandeln musste, um in einer Zeit, in der es praktisch keine Angebote für Hochsensible gab, Betroffenen wenigstens einige basale anknüpfungsfähige und für Selbsterkenntnis und Lebensgestaltung hilfreiche Informationen zu liefern. Da sich das Wissen um Hochsensibilität in den letzten fünfzehn Jahren nicht grundlegend geändert oder erweitert hat, kann daher „Zart Besaitet“ bis heute im deutschsprachigen Raum als Referenzwerk gelten, welches das grundlegende Wissen bzw. grundlegende Annahmen zum Thema in zufriedenstellender Gründlichkeit wiedergibt. Der Autor dieser Zeilen wagt es, zu behaupten, dass man nach der Lektüre des Buches weiß, was man zum Thema Hochsensibilität wissen muss. „Zart Besaitet“ kann insoweit auch heute als Einführung in das Thema uneingeschränkt empfohlen werden.

Autor: Michael Jack
Im Jahre 2017 nur im Internet veröffentlicht

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Aron, Elaine, Das hochsensible Kind (amazon)

Die Autorin ist als Psychologin in Forschung, Lehre und Therapie tätig und hat Ende der 90er Jahre die Termini Hochsensibilität und Hochsensible Person (HSP) in Wissenschaft und therapeutische Praxis eingeführt. Der mvg-Verlag hat dem IFHS freundlicherweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt.

Das Buch ist im Wesentlichen zweigeteilt: Die ersten 200 der fast 500 Seiten stellen eine Art „allgemeinen Teil“ da: Nach einer kurzen Einführung in das Thema HS beginnt Teil I: Das hochsensible Kind – eine erste Annäherung, in dem Aron grundlegende Kenntnisse zum Großziehen eines hochsensiblen Kindes vermittelt, wobei mit „HSK“ (= Hochsensibles Kind) wieder eine neue Abkürzung eingeführt wird.

Im ersten Kapitel werden Eltern, die vermutlich angesichts der Möglichkeit, ein hochsensibles Kind zu haben, zunächst verunsichert sind, beruhigt und mit dem besonderen Charakterzug ihres Nachwuchses versöhnt. Aron grenzt HS von Pathologien wie ADS, Autismus und Asperger ab.

Im Anschlusskapitel wird die sich den Eltern stellende Herausforderung näher charakterisiert: Wie erziehe ich ein hochsensibles Kind? Neben der in stärkerem Maße erforderlichen emotionalen Zuwendung beleuchtet Aron sechs Facetten der Existenz einer HSP, die Probleme verursachen können: besondere Wahrnehmung, die Tendenz zur sensorischen Überlastung, tiefere Reaktionen, die stärkere Empfindsamkeit für Gefühle anderer Personen, das höhere Bedürfnis nach Vorsicht sowie die Fremdwahrnehmung als „anders“.

Die Kapitel drei und vier wenden sich jeweils an nicht- bzw. an selbst hochsensible Eltern. Ersteren wird versucht, ein erstes Verständnis für die besondere Art des Empfindens ihres Kindes zu vermitteln; ferner werden sie auf Vorteile und Gefahren aufmerksam gemacht, die sich in der Beziehung eines nicht-hochsensiblen Elternteils mit dem HSK ergeben können. Speziell Männer seien Adressaten dieses Kapitels, da sie häufig von gesellschaftlichen Stereotypen in die Rolle eines „harten“ Elternteils gedrängt würden. HS-Eltern werden ebenfalls auf Vor- und Nachteile ihres Temperaments ihr Verhältnis zum Kind betreffend hingewiesen; namentlich sei drohende „Überidentifikation“ ein Problem: Das hs Elternteil könne Probleme aus der eigenen Vergangenheit, namentlich fehlende Selbstachtung, auf das Kind übertragen und es so entsprechend behindern. Auch spricht Aron über das Verhältnis der HSP zum Rest der Familie.

Kapitel fünf handelt von Grundregeln der Erziehung eines HSK. Hierzu gehörten die Förderung der Selbstachtung des Kindes, das Bewahren vor selbstzerfleischender (Rez.) Selbstreflexion sowie das Vermitteln der Erkenntnis, dass die meisten Mitmenschen – nicht-HSPs – auf besondere Art und Weise interpretiert werden müssen. Weitere Erziehungsziele seien die Vermeidung von Scham sowie die sanfte Vermittlung von Disziplin im Sinne eines liebevollen Lenkens. Ausführlich setzt sich Aron mit den Fragen auseinander, wie das zu bewerkstelligen sei, und, am Ende des Kapitels, wie man mit dem Kind selbst aber auch mit anderen über HS sprechen sollte.

Der zweite Teil des Buches: Teil II: Vom Säugling zum jungen Erwachsenen, setzt sich mit den einzelnen Phasen im Leben eines hochsensiblen Kindes auseinander.

Das sechste Kapitel beginnt mit dem Anfang des Lebens: Aron erörtert, wie HS beim Säugling erkannt und das Baby vor Reizüberflutung geschützt werden kann. Thema sind auch das Schreien des Kindes, Schlafprobleme sowie weitere Schwierigkeiten, die sich im ersten Lebensjahr ergeben können.

Die Kapitel sieben und acht sind der Kleinkind- und Vorschulphase gewidmet. Hauptsächlich geht es darum, wie man die negativen Auswirkungen von Veränderungen auf den Schützling vermeidet, wie Überstimulation verhindert und wie mit starken Emotionen umgegangen werden kann, und wie Angst vor neuen Situationen wie etwa der Trennung von den Eltern z. B. im Kindergarten bekämpft werden kann. Aron spricht ebenfalls über viele kleine Szenen des Alltags wie etwa Einkäufe oder Arztbesuche, thematisiert aber auch die frühkindliche Sexualität.

In den Kapiteln neun und zehn ist das Schulalter Thema. Aron spricht über die alltägliche Erziehungsarbeit, über Stressmanagement, über „schwierige“ Kinder sowie darüber, wie Eltern die soziale Kompetenz ihres HSK auch die Schulsituation betreffend fördern können, um etwa einen Freund zu finden. Auch gibt sie Tipps zum Umgang mit Lehrern, weist auf das eventuelle Erfordernis der Kontrolle des kindlichen Lernverhaltens sowie darauf hin, dass sich erstmals Talente und Interessen des Kindes zeigten. Im zehnten Kapitel finden sich auch Hinweise zum Umgang mit Mobbing in der Schule, im neunten spricht die Autorin über Chancen und Risiken einer medikamentösen Behandlung psychopathologischer Phänomene wie Depressionen.

Der Haupttext des Buches schließt mit dem elften Kapitel, in dem die flügge werdenden Kinder die Hauptrolle spielen. Aron äußert sich zum Umgang mit Teenagern, über die elterliche Rolle bei wichtigen, Weichen stellenden Entscheidungen, sowie bei den für die Adoleszenz typischen Erfahrungen mit sozialem Miteinander und Sex. Sie zeigt Wege auf, wie auf eine zu geringe Anzahl von Sozialkontakten des „Stubenhockers“ und auf einen sich möglicherweise zu lange hinziehenden Auszug aus dem Elternhaus reagiert werden kann.

Am Ende des Buches finden sich Tipps für Lehrer.

Aron benutzt viele Beispiele, erklärt ausführlich und arbeitet mit z. T. detaillierten Handlungsanweisungen. Reframing-Ansätze für die erwachsene HSP finden sich freilich selten, so dass der (bisher) kinderlose Rezensent eine gewisse Mühe hatte, sich zum Durcharbeiten des Buches zu motivieren. Es ist freilich durchaus wahrscheinlich, dass die Informationen im Buch, das ja die erste deutschsprachige Publikation darstellt, die sich nur mit der Erziehung hochsensibler Kinder befasst, für eine Mutter und/oder einen Vater eines hochsensiblen Kindes eine wertvolle und Erleichterung gewährende Anleitung oder zumindest Anregung darstellen. Der Umstand, dass das Buch aus dem Englischen übersetzt wurde, stört meist nicht. Im letzten Kapitel freilich zeigen sich die Unterschiede zwischen amerikanischem und deutschem Bildungssystem so stark, dass der übersetzte Text nur noch cum grano salis zu genießen ist. Versöhnt wird speziell der Rezensent freilich durch den Umstand, dass bei weiterführenden Quellen u.a. auf die Webseite des IFHS verwiesen wird.

Autor: Michael Jack
Im Jahre 2008 nur im Internet veröffentlicht

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Bolls, Ulrike Domenika, Meditation für Hochsensible: Lebensqualität & Eigenverantwortung mit Hochsensibilität (amazon)

Auf 120 Seiten soll der Leser dieses Buches eine auf Hochsensible zugeschnittene Einführung ins weite Feld der Meditation erhalten. Verschiedene Meditationsarten werden erläutert; dazu kommen mehr oder weniger praktische Tipps („Wie lange sollte ich meditieren? Und was soll ich anziehen?“) und einige Ideen für Fortgeschrittene.

Mein Eindruck: Ein interessantes Thema, leider fragwürdig umgesetzt. Manche Kapitel sind durchaus informativ; immens gestört hat mich aber der intolerante, abfällige Ton, wenn es um Regeln und Konzepte geht, von denen die Autorin nichts hält (und die sie dann freimütig als „schwachsinnig“ bezeichnet).

Autorin: Julie Leuze
Im November 2012 in Intensity 5 veröffentlicht

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Dinkel, Sabine, Hochsensibel durch den Tag (amazon)

Zunächst eine Erklärung zu möglichen Interessenkonflikten (Declaration of Interest): Auf dem Cover des Buches wird darauf hingewiesen, dass es „In Zusammenarbeit mit: www.hochsensibel.org“ erstellt worden sei. Geld kriegen wir (dafür) nicht, allerdings wird unsere Website auf einer eigenen Seite im Buch als Quelle „eine[r] Fülle“ weiterer wichtiger Informationen „in schlichter, sachlicher Aufmachung“ bezeichnet. Das liest man gern.

Zu Beginn des Buches führt Dinkel viele konkrete Beschreibungen und anknüpfungsfähige Beispiele für belastende Reize und große und kleine reizintensive Situationen, die in das Thema Hochsensibilität einführen sollen. Dinkel gibt zu, dass die geschilderten Szenen aus ihrem Familienleben zum Teil „ziemlich verschroben“ wirken, und zeigt damit ihre durchaus selbstironische Distanz zum Sujet. In einem ausführlichen Fragenkatalog, der über den berühmten von Aron zumindest hinausgeht, finden sich sehr griffige Veranschaulichungen; besonders überzeugen den Rezensenten Dinkels Aussagen über optische Reize (etwa überladene Websites).

Das Buch sei gedacht als „Langzeitbegleiter“ (früher als Vademecum bezeichnet), der helfen könne, Situationen der nervlichen Überreizung – herrlich schräg als „Synapsenbritzeln“ bezeichnet – zu vermeiden oder zumindest zu managen. Es wolle bei der Entwicklung eines guten „Reiz-Haushalt[es]“ helfen und Strategien gegen akute Reizüberflutung liefern.

Im Anschluss an die konkreten Beispiele folgen etwas abstraktere Informationen; Dinkel teilt die herrschende Meinung, dass die Reizempfindlichkeit als solche angeboren sei, sich Weiteres aber aufgrund von Umweltbedingungen entwickele, die durchaus auch positiv wirken könnten.

Nach dem Ausflug in die Theorie beginnt der praktische Teil des Buches, der eine Vielzahl von konkreten Tipps für die Lebensgestaltung enthält. Jeder Abschnitt beginnt mit prägnanten Thesen und endet mit „Notfallplänen“, um akute Reizüberflutung in den Griff zu kriegen. Behandelt werden so ziemlich alle Lebensbereiche (exklusive Kinder): Tagesgestaltung, Arbeit und Arbeitsplatz (Schreibtisch), Freundschaft und Partnerschaft, Arztbesuche und Smalltalk.

Jawohl: Smalltalk; Dinkel erklärt der insoweit unbeholfenen HSP den typischen Ablauf eines Smalltalk-Gespräches und liefert einen Schnellkurs für das Überleben dieser Situation. Sie befasst sich sogar mit der Frage, warum HSP Smalltalk nicht mögen; ihre Vermutung ist, dass sie sich in einer neuen Gruppe erstmal akklimatisieren und daher eine Beobachterrolle einnehmen wollen. Ferner stütze sich Smalltalk auf das Kurzzeitgedächtnis; HSP seien aber eher langzeitgedächtnisorientiert.

Als Beispiel für die Empfehlungen sei genannt, dass Dinkel eine Lebensführung im Einklang mit der inneren Uhr empfiehlt: Man müsse wissen, was für ein Chronotyp man sei, und sich darauf einstellen. Sie empfiehlt eine Vorbereitung des Tages am Vortrag sowie Morgenrituale mit Elementen positiver Psychologie und liefert einen Notfallplan für den Fall des Verschlafens. Am Abend solle man die Disziplin aufbringen, rechtzeitig ins Bett zu gehen und Feierabendrituale befolgen.

Im Zusammenhang mit dem Thema Arbeit liefert Dinkel ebenso kleine Hinweise, wie sich die Arbeitseffizienz steigern lasse, wie auch Tipps zur Pausengestaltung und Ernährung. Achte man nicht auf seinen Biorhythmus, drohe ein daily little burnout. Es gehöre zum Leben dazu, dass 30 % der Arbeit „Mist“ sei; die restlichen 70 % könnten hier als Trost dienen. Dinkel liefert (auch hier) eine anschauliche Liste der Reize, die zu Überstimulierung führen könnten, und empfiehlt – zur großen Freude des Rezensenten, der das seit Jahren predigt –, in Situationen der Geräuschbelastung ein Ohr durch einen (!) Ohrstöpsel lahmzulegen, um das Gesamtniveau an aufzunehmenden Reizen zu reduzieren.

Im Zwischenmenschlichen sei die „richtige Dosierung Mensch“ vonnöten. Im Rahmen einer Partnerschaft müsse bei unterschiedlichen Reizempfindlichkeiten die Lebensgestaltung ausverhandelt und durch Kompromisse gekennzeichnet sein; verschiedene Wohnformen seien möglich. Zur Vermeidung der Eskalation eines Streits sollte die Perspektive des anderen bedacht und gewaltfrei kommuniziert werden.

Interessant auch, dass Dinkel Nachrichten als toxische Wissensform bezeichnet: HSP neigten dazu, sich eher gründlich durch Bücher als oberflächlich durch News zu informieren. Sehr lebensnah auch, was Dinkel zum Management von E-Mails empfiehlt.

Gegen Ende des Buches liefert es verschiedene Modelle, Hochsensibilität Dritten zu erklären, und beschreibt typische Reaktionen auf ein Outing: Hätte Platzmangel bestanden, hätte man hier vielleicht kürzen können. Ansonsten findet sich in dieser Region des Buches auch der ausdifferenzierte Rat (mit praktischen Übungen), sich Gutes zu tun. Geistreich der Tipp, Wortkosmetik zu betreiben: Wenn man die Dinge nett darstellt, stellen sie sich häufig auch netter dar. Dinkel gibt auch Hilfen zur Entscheidungsfindung durch Skizzierung der zu stellenden Überlegungsfragen.

Dinkel schreibt flockig und witzig; das flotte Design des Buches, gedruckt auf glänzendem Papier, enthält auch amüsante Bildchen. Dinkels Tipps überzeugen nicht zuletzt dadurch, dass ihre Realisierung nicht zu aufwändig ist, weshalb der innere Schweinehund ihre Beherzigung nicht mit seinem Veto unterbindet. Besonders betont sei der sehr positive Eindruck von Handfestigkeit: Dem Rezensent ist sehr angenehm aufgefallen, dass die Vorschläge so bodenständig sind, dass der im modernen Leben stehende Zeitgenosse (man ist versucht, zu sagen: zur Abwechslung einmal) nicht das Gefühl hat, hier würde Harmonie mit Erdgeistern angestrebt.

Der Rezensent ist natürlich gebauchpinselt angesichts der lobenden Worte über hochsensibel.org, hat aber „auch so“ die Lektüre genossen und das Gefühl, hier möglicherweise einen zukünftigen Klassiker der Ratgeberliteratur für Hochsensible gelesen zu haben.

Der Verlag hat dem IFHS zwei Rezensionsexemplare zur Verfügung gestellt.

Autor: Michael Jack
Vorabveröffentlichung; Erscheinen geplant für Intensity 8

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Göckel, Renate, Die Erbsenprinzessin; neu veröffentlicht unter dem Titel Was Hochsensible glücklich macht (amazon)

Die Erbsenprinzessin ist ein geschlechtsspezifisches Buch: Es empfiehlt sich im Wesentlichen als Frauenlektüre.

Der Inhalt zeigt Gedanken auf, in denen sich der empfindsame Mensch wiedererkennt. Konstruktiv wird hier das komplexe Bild des hochsensiblen Menschen gezeichnet. Die Autorin stärkt das Selbstbewusstsein, vermittelt Neuorientierung und setzt Impulse aus psychologischer Sicht. Kreativität, Kunst und Empathie als Domäne sind nur ein Punkt, der sich hier präsentiert. Vieles erscheint einem bekannt, da die Autorin Gedanken vertrauter Werke und namhafter Persönlichkeiten paraphrasierend an die Leserschaft weitergibt.

Leider verliert das Buch an Qualität durch sprunghaft wechselnde Themenbereiche. Stark durch die feminine Perspektive beeinflusste Grundgedanken schleusen sich ein und verändern den Tenor. Aufgrund der Befragung von 17 Repräsentanten ausschließlich des weiblichen Geschlechts als empirische Grundlage wird nur ein Teilaspekt der Gesamtkomplexität des Themas skizziert.

Bilanzierend gesagt ist das Buch von Renate Göckel nicht der typische Klassiker. Die Betrachtung der weibliche Geschlechterrolle im Kollektiv der Hochsensiblen ist die Offerte.

Autorin: Bettina Czupor
Im September 2010 in Intensity 3 veröffentlicht

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Harke, Sylvia, Hochsensibel - Was tun?: Der innere Kompass zu Wohlbefinden und Glück (amazon)

Mit „Hochsensibel - Was tun?“ hat die Diplom-Psychologin und Gründerin der hsp academy Sylvia Harke einen Hochsensiblen-Ratgeber vorgelegt, der vor allem durch seine Fülle an Themen, Informationen und Anregungen heraussticht. Das 2014 erschienene Buch umfasst knapp 250 Seiten, die randvoll mit Material zum Nachdenken und Ausprobieren gefüllt sind.

Harke beginnt ihr Buch damit, ihren eigenen Lebensweg nachzuzeichnen und zu erklären, warum sie einen Hochsensiblen-Ratgeber geschrieben hat. Der erste Pluspunkt: Dass das Buch an den Selbsterfahrungsweg der Autorin angelagert ist, verleiht ihm und seinem Inhalt eine hohe Authentizität und Glaubwürdigkeit. Es wird schnell klar, dass hier eine Hochsensible zusammengetragen hat, was sie selbst lebt.

Harke betrachtet die Schwierigkeiten Hochsensibler als „Überlebenskampf“ und stellt sogenannte „Survivalregeln“ auf, die dazu beitragen sollen, aus dem besagten Kampf auszusteigen. Die Autorin verspricht keine schnellen Lösungen und keine Techniken, um sich an Erwartungen des sozialen Umfeld bzw. der Gesellschaft anzupassen. Stattdessen appelliert sie an den Leser, die eigene Hochsensibilität anzuerkennen und ihr konstruktiv zu begegnen. Damit knüpft sie an das große Stichwort Selbstakzeptanz an und zeigt Wege auf, wie diese verwirklicht werden kann.

Inhaltlich werden so ziemlich alle Themen abgehandelt, die bei Hochsensiblen problematisch sein können: Fühlen und Denken, sozialer Umgang, der Bezug zum eigenen Körper, Partnerschaft, Berufs- und Selbstfindung. Auch zu hochsensiblen Kindern und Zusammenhängen mit Hochbegabung, Borderline und Autismus gibt es Abschnitte. Harke beweist, dass sie für ihr Buch sehr gründlich recherchiert hat. Sie bindet zahlreiche psychologische Konzepte ein, verweist auf andere Autoren, gibt selbstgeführte Interviews mit Hochsensiblen wieder und teilt eigene Erfahrungen.

Die Vielzahl von Übungen, Hinweisen, Ratschlägen und psychologischen Ausführungen ist eine große Stärke des Buches. Selbst wer psychologisch belesen ist, wird hier mit Sicherheit noch etwas Neues finden. Gerade die Übungen, die Harke zusammengetragen hat, bieten genug Stoff für einen monate- oder gar jahrelangen Selbstentwicklungsprozess. Manche Ratschläge wirken etwas befremdlich (z. B. natürliche Kleidung selbst herstellen) oder einengend (z. B. bestenfalls nicht später als um 22 Uhr ins Bett gehen), aber da es so viele Ratschläge gibt, dürfte jeder Leser etwas Passendes für sich finden.

Der Umfang hat aber auch Schattenseiten. Die Strukturierung des Inhalts ist etwas verwirrend und bei den vielen Überschriftebenen und Absätzen verliert man im Fließtext schnell mal den Überblick. Außerdem ist das Buch so vollgestopft mit Informationen, dass man viel Zeit benötigt, um diese auch wirklich aufzunehmen. Bei manchen Themen fragt man sich, ob es wirklich notwendig war, sie so ausführlich in einem (allgemeinen) Hochsensiblen-Ratgeber zu besprechen.

Positiv zu erwähnen ist der Umgang mit Esoterik und Spiritualität. Das Buch hat spirituelle und auch leicht parawissenschaftliche Einschläge, verfängt sich aber nicht darin. Sehr wissenschaftlich orientierte Leser könnten über den einen oder anderen Absatz stolpern: Ob Barfußlaufen nun wirklich der physikalischen Erdung dient oder Delphine so „fröhlich“ springen, weil sie sich von Algen und Meerestieren ernähren, darf zumindest bezweifelt werden. Insgesamt jedoch ist Harke sichtlich bemüht, dem Buch ein wissenschaftlich tragbares Fundament zu geben und überwiegend gelingt ihr das auch.

Fazit: Harke liefert mit ihrem Buch sehr viel Material mit konkreten Anwendungsmöglichkeiten. Das Buch überzeugt mit seinen sympathisch authentischen Charakter. Abgesehen davon, dass es stellenweise vielleicht ein bisschen „zu viel“ oder „zu psychologisch“ geworden ist, hat Sylvia Harke einen durchaus lesenswerten Ratgeber geschaffen.

Autorin: Maria Schubert
Vorabveröffentlichung; Erscheinen geplant für Intensity 8

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Heintze, Anne, Ich spüre was, was du nicht spürst: Wie Hochsensible ihre Kraftquellen entdecken (amazon)

An Anne Heintzes Buch „Ich spüre was, was du nicht spürst“ springen sofort seine ungewöhnliche Form und seine auffällige Gestaltung ins Auge. Das kleine quadratische Buch mit dem schweren Umschlag ist bunt: Auf dem Cover finden sich gemalte Blumen, Vögel und Insekten in kräftigen Farben. Bereits das Äußere des Buches lässt vermuten, dass hier die Schönheit und der Reichtum von Hochsensibilität im Fokus stehen.

Und ja, genau darum geht es Heintze. Ihre Lebensphilosophie ist, wie sie selbst erklärt, dass alles auf der Welt einen Sinn hat, auch Hochsensibilität. Die Autorin möchte nicht nur erreichen, dass der Leser seine Hochsensibilität akzeptiert, sondern sie als individuelle Gabe versteht. Zusammengefasst in dem Motto: „Nicht obwohl ich so bin, wie ich bin, sondern weil ich so bin, wie ich bin, ist das Leben wunderbar.“

Auf genau diesen bestärkenden Gedanken hin ist das Buch ausgerichtet. Es enthält keine umfangreichen Beschreibungen von Hochsensibilität und auch keine wissenschaftlichen Erläuterungen. Es beschäftigt sich nur sehr sparsam mit Spezialthemen. Heintze konzentriert sich vielmehr darauf, ein optimistisches Gesamtbild der hochsensiblen Persönlichkeit zu zeichnen. Sie betont immer wieder die außergewöhnlichen Talente Hochsensibler und warum es sich lohnt, diese zu fördern.

Während sich Heintze zu Beginn mit den Stärken, aber auch Schwierigkeiten Hochsensibler auseinandersetzt, steht der Hauptteil des Buches ganz im Zeichen der hochsensiblen Wahrnehmung. Das inhaltliche Schlüsselkonzept, an dem sich die Autorin orientiert, ist die (anthroposophische) Sinneslehre von Rudolf Steiner. Diese Lehre geht davon aus, dass es neben den klassischen sechs Sinnen noch sechs weitere Sinne (wie z. B. den Lebenssinn, den Gleichgewichtssinn oder den Begriffssinn) gibt. Heintze verbindet die jeweiligen Sinne mit verschiedenen psychischen Themen und setzt mit ihren Ratschlägen dort an.

Das ist eine interessante Herangehensweise, die es ermöglicht, ein paar neue Aspekte und Perspektiven einzubringen. Leider sind die Verbindungen, die Heintze knüpft, nicht immer nachvollziehbar, insbesondere wenn man keine anthroposophischen Vorkenntnisse hat. Was genau etwa der Tastsinn mit Selbstannahme zu tun hat, bleibt unbeantwortet. Hier ist es schade, dass Heintze mit ausführlicheren Erläuterungen spart und manche Übergänge dadurch etwas willkürlich und abrupt wirken.

Von diesen kleinen Stolpersteinen abgesehen liest sich das Buch aber angenehm flüssig und behandelt viele verschiedene Themen. Heintze hat trotz des begrenzten Platzes eine ganze Reihe von Übungen zusammengetragen: Vom fast schon obligatorischen Meditieren und Tagebuchschreiben über die Verschönerung der (Wohn-)Umgebung bis zur Stärkung der Körperhaltung ist fast alles dabei. Hauptsächlich geht es hierbei um eine sinnvolle Nutzung der hochsensiblen Sinne, die Stärkung des Selbstschutzes und die Steigerung des Selbstwertgefühls.

Wer konkrete praktische Ratschläge für seine Lebensgestaltung sucht, ist mit diesem Buch eher nicht so gut beraten. Heintze fasst sich kurz und beschränkt sich größtenteils auf allgemeine Aussagen. Es scheint ihr mehr um die Veränderung von Einstellungen als um sichtbare Verhaltensänderungen zu gehen. Die wesentliche Stärke des Buches liegt nicht in der lebenspraktischen Beratung, sondern in der Unterstützung beim grundsätzlichen Erkennen des eigenen Potenzials. Vor diesem Hintergrund ist es erfrischend, dass die Autorin Hochsensibilität weder dramatisiert noch esoterisch überhöht, sondern dem Anders-Sein schlicht eine Berechtigung verschaffen möchte – was ihr gut gelingt.

Fazit: „Ich spüre was, was du nicht spürst“ ist ein kleiner aber feiner Ratgeber, der dazu ermuntert, die eigene Hochsensibilität als etwas Wertvolles zu betrachten. Das Buch ist gerade für „Neu-Hochsensible“ gut geeignet, die eine erste Orientierung suchen. Für Hochsensible, die sich mit der Materie schon länger beschäftigen, könnte es zu oberflächlich sein. Doch allein schon Heintzes positive (und trotzdem realistische) Sicht auf Hochsensibilität, die sie sehr glaubwürdig zu transportieren vermag, macht das Buch lesenswert.

Autorin: Maria Schubert
Vorabveröffentlichung; Erscheinen geplant für Intensity 8

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Piegsda, Germanus, Sawitza, Barbara, Das Handbuch für Hochsensible: Ein Arbeitsbuch für die optimale Nutzung der Gabe Hochsensitivität (amazon)

Das Buch behandelt in neun Kapiteln verschiedenste Bereiche, die für Hochsensible wichtig sind. Angefangen von der Beschreibung des Merkmals über Selbstakzeptanz bis hin zur Bedeutung von Hochsensibilität für Kommunikation und eigene Gefühle wird beschrieben, was für eine Rolle der Hochsensibilität im Alltag zukommt. In den einzelnen Kapiteln, die nochmals in Unterkapitel aufgeteilt sind und die Orientierung erleichtern, werden neben anschaulichen Beispielen auch Zitate von einem der Autoren eingebunden, welche die beschriebenen Situationen und Sachverhalte für die Leserin deutlicher werden lassen. In einigen der Kapitel sind zudem praktische Hinweise und Übungen beschrieben, die von Leserinnen angewendet werden können. Diese greifen viele Aspekte auf, die in dieser Form teilweise auch in Psychotherapie- oder Beratungssitzungen zu hören sind. Dabei sind zum einen Entspannungs- und Akzeptanzübungen und solche zum „Aussteigen“ und Betrachten der jeweiligen Situation von einem „äußeren Standpunkt“, aber auch Absätze zur Beschreibung von hinter bestimmten Problemen liegenden Mechanismen, wie beispielsweise Glaubenssätze, und der Aufforderung der Veränderung derselben, vertreten. Der Rahmen des Buches, welcher die Begleitung von „Germanus“ in seinem persönlichen Prozess der Akzeptanz und des Umgangs mit seiner Hochsensibilität darstellt, sowie die Beschreibung verschiedener Situationen im Leben eines (zukünftigen) Paares runden die eher theoretisch fokussierten Kapitel ab und geben ihnen einen relativ praktischen Kontext.

Mir persönlich hat die erste Hälfte des Buches sehr gut gefallen, da auf überschwängliche (wissenschaftlich nicht fundierte) Hypothesen von Effekten von Hochsensibilität verzichtet wurde bzw. nur wenige im Buch zu finden sind. Dies repräsentiert das Gegenteil von dem, was in vielen anderen Werken, die ich gelesen habe, zu finden ist. Dort werden häufig wilde Spekulationen angestellt und sie dargestellt, als seien sie in irgendeiner Weise fundiert. Zudem gefällt mir die relativ realistische und objektive Beschreibung des Merkmals der Hochsensibilität, die nicht das starke Gefühle erweckt, man würde ein Buch über Esoterik lesen.

Leider ändert sich genau das im zweiten Teil. Es wird dann plötzlich viel von Schöpfung, dem Kosmos, Energie, energetischem Austausch und Schwingungen berichtet und das Verhalten und die Wahrnehmung von Hochsensiblen damit erklärt. Des Weiteren sind mir einige der Tipps zu einfach, was allerdings auch ein Phänomen ist, das in vielen Hand- und Selbsthilfebüchern zu finden ist. An einer Stelle wird davon berichtet, dass man selbst alles ändern kann, selbst etwa Kopfschmerzen, und dass man so sein dürfen sollte, wie man ist – leider entspricht das aber nicht der Realität. Man muss den Autoren hier allerdings zugute halten, dass die Problematik einiger Tipps bezüglich der Möglichkeit ihrer Umsetzung im Alltagsleben angesprochen wird, allerdings nicht stark und konsequent genug. Des Weiteren ist der Inhalt nicht immer logisch aufgebaut und aufeinander bezogen. Manchmal fehlt der rote Faden und es wird nicht klar, warum ein bestimmtes Thema an einer bestimmten Stelle aufgegriffen wird. Auch Kürzungen wären für das Buch gut gewesen, da auf bestimmte Aspekte zu detailliert und ausschweifend eingegangen wird. Ein letzter Punkt, der mir aufgefallen ist, ist die Stärke der Worte, die genutzt werden. Die Autoren selbst greifen gegen Ende des Buches diese „Gefahr“ auf und erklären, dass Hochsensible bestimmte (hauptsächlich) geladene Worte stärker wahrnehmen und diese dann bestimmte Emotionen auslösen. Sie erklären damit die Entscheidung, den Begriff „Sexualität“ bewusst nicht zu verwenden; allerdings sind gerade zu Beginn des Buches einige emotional sehr aufgeladene Situationen geschildert, die den Lesefluss signifikant beeinflussten. So wurde von sexuellem Missbrauch, psychischen Krankheiten und Traumata gesprochen. Selbstverständlich sind dies Phänomene, mit denen viele Hochsensible zu kämpfen haben, im Zuge dieses Buches an den bestimmten Stellen aber fehl am Platz, denke ich.

Zusammenfassend halte ich das Buch für gut geschrieben und durchaus hilfreich für den Prozess der Auseinandersetzung mit und der Akzeptanz der eigenen Hochsensibilität. Zusätzlich sind viele der beschriebenen Tipps und Beschreibungen grundlegender Mechanismen hilfreich, um sich selbst besser kennenzulernen und ein zufriedeneres Leben zu führen. Der zweite, etwas esoterisch angehauchte Teil ist - im Vergleich zu anderen Büchern auf dem Markt - nicht überraschend und außergewöhnlich und kann für diejenigen, die dadurch profitieren können, wertvolle Anregungen enthalten. Im Zusammenhang mit den Adressaten, die mit dem Buch erreicht werden soll, wird beschrieben, dass das Buch nicht nur für hochsensible Einzelpersonen geschrieben ist, sondern auch für deren Familien, Freunde und Bekannte. Dem kann zugestimmt werden, da verschiedene Blickwinkel beleuchtet werden. Auch wenn ich mir unter einem „Handbuch“ dem Titel nach etwas anderes vorgestellt hätte, so stellt es dennoch eine Bereicherung für betroffene Personen dar und lohnt, gelesen zu werden.

Autor: Teresa Tillmann
Vorabveröffentlichung; Erscheinen geplant für Intensity 8

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Reimann-Höhn, Uta, Ist unser Sohn hochsensibel? Hochsensibilität bei Jungen erkennen und verstehen (amazon)

Ein kurzes "Fazit" vorab: Uta Reimann-Höhn hat ein logisch strukturiertes Buch geschrieben, das viele Fragen zu Hochsensibilität (HS) bei Jungen verständlich beantwortet. Eltern von Mädchen würde ich die Lektüre dieses Werks ebenfalls empfehlen: Das typische Erleben hochsensibler Kinder (HSK) wird zwar in Geschichten von Jungen dargestellt, aber die Erklärungen und Lösungsvorschläge können ebenfalls für Mädchen gelten.

Reimann-Höhn beginnt ihr Werk mit einer sehr guten Zusammenfassung der aktuellen Studien zu Hochsensibilität und zu den Stärken hochsensibler Personen (HSP). Der vorgestellte HS-Test für Kinder ist nicht wissenschaftlich abgesichert, gibt aber wertvolle Anhaltspunkte für eine Selbsteinschätzung.

Die weiteren Kapitel sind nach Altersstufen eingeteilt: die ersten Lebensjahre, die Einschulung und die Schulzeit, die Freizeitgestaltung und die Pubertät. Passend dazu illustrieren viele Kurzgeschichten die unterschiedlichen Problemfelder, zu denen die Autorin sehr hilfreiche Tipps gibt. Sie scheint aus einem großen Erfahrungsschatz zu schöpfen und man bemerkt den professionellen pädagogischen Hintergrund. Sie stellt klar, dass ihre Empfehlungen an die jeweilige Situation und an das jeweilige Temperament des Kindes angepasst werden sollten. Sie warnt Eltern vor der Gefahr, ihre Söhne zu sehr schützen zu wollen: Dadurch könnten sie ihnen die Möglichkeit vorenthalten, Schwierigkeiten selbst durchzustehen und zu bewältigen. Ja, hochsensible Kinder sind überempfindlich und leicht überfordert. Als Eltern ist man allerdings gut beraten, nicht die Strategie des Vermeidens zu wählen, sondern eine der stufenweise intensiver werdenden Konfrontation mit unangenehmen Situationen. HSK merken von selbst, dass sie etwas „anders“ sind, und schämen sich mitunter dafür! Sie müssen in vielen, vermeintlich belastenden Situationen ermutigt werden. Zwar sanft, aber bestimmt! Klassenfahrten, Pfadfinderlager, Fußballspiele: auf dem ersten Blick Horrorvorstellungen für diese zarten Wesen. Mit einer gut überlegten Vorbereitung, einer „Eingewöhnung“ und bei günstigen Begleitumständen können hochsensible Jungen jedoch über sich hinauswachsen und viel Freude daran haben. Und das tut ihrem Selbstwert gut. Sehr gut sogar!

Reimann-Höhn behandelt das Thema Schule (eine unbestritten ziemlich große Belastung für HSK) mit Sachlichkeit, Realitätssinn und ohne Schuldzuweisung. Ihre Empfehlungen sind diesbezüglich die besten, die ich bisher gelesen habe. Chapeau!

Ein besonderer Pluspunkt ist das Kapitel über Erziehungsfallen. Ein Beispiel ist die Verherrlichung des Kindes: Manche Eltern loben ihr HSK sehr für seine vielen erwünschten Eigenschaften (Gerechtigkeitssinn, Beobachtungsgabe, Empathie usw.) und kritisieren sein Fehlverhalten kaum. Konstruktive Kritik braucht es jedoch auch, damit das Kind Fehler als wichtige Lernerfahrung und nicht als Katastrophe erlebt.

Das abschließende Kapitel zieht ein kurzes und zugleich leicht verständliches Resümee bezüglich der Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen HS, AD(H)S und Autismus.

Mehr brauche ich zu diesem sehr gut gelungenen Buch nicht zu sagen: Lesen Sie es einfach!

Autorin: Françoise Goldmann, http://www.schueler.coach/
Vorabveröffentlichung; Erscheinen geplant für Intensity 9

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Rohleder, Luca, Die Berufung für Hochsensible: Die Gratwanderung zwischen Genialität und Zusammenbruch (amazon)

Das Buch von Luca Rohleder ist (nach meiner Kenntnis) erst das dritte Werk – nach den Büchern von Barrie Jaeger (2004) und Marianne Skarics (2007) – das sich mit dem wichtigen Thema HSP und Beruf(ung) befasst. Rohleder (ein Pseudonym) arbeitet als Jobcoach und hat unter seinem wahren Namen bereits mehrere Bücher zur Jobsuche verfasst; er ist nach eigenen Angaben selbst HSP. Näheres zu ihm findet man unter hochsensiblepersonen.com.

Leitbild seiner Ausführungen ist eine modellhafte Beschreibung der Persönlichkeit. Ausgehend von einer Aufteilung in ein inneres Erwachsenen-Ich und ein inneres Kind (Modell entstanden in den 90er Jahren) präsentiert er eine neue Aufteilung in Neugeborenen-Ich (NI), Höheres Ich (HI) und Erwachsenen-Ich (EI). Diese ist nach Ansicht von Rohleder notwendig, um HSP zu beschreiben. Das NI ist durch elementare Grundbedürfnisse (Schutz, Nahrung, Wärme) gekennzeichnet. Das HI entspricht einem „übersinnlichen Persönlichkeitsanteil“ - HSP trügen einen „spirituellen Anteil als dominantes Persönlichkeitsmerkmal in sich. Das EI steht für den Intellekt. Rohleders These ist, dass das innere Kind in einer HSP eher ein inneres Baby mit entsprechenden besonderen Bedürfnissen ist. Vor dem Hintergrund dieser drei Anteile, die sich in jeder erwachsenen HSP finden, beleuchtet er ausführlich diverse, für die Arbeitswelt relevante Aspekte.

Zu den Persönlichkeitsmerkmalen (Kapitel 2) zählen demnach u.a. Gewissenhaftigkeit, Wunsch nach Eigenverantwortlichkeit und ein gewisser Führungsanspruch sowie eine gute Intuition. Im dritten Kapitel geht es um die Bedürfnisse, die das NI stellt, und die in Beruf und Gesellschaft oft zu kurz kommen, was für HSP problematisch ist. Hier gelte es, „loszulassen“, sich von physisch und psychisch belastenden Ansprüchen zu befreien. Erst wenn das geschehen ist, könne die HSP erkennen, wie sie Zufriedenheit im Arbeitsleben erreichen kann (Kapitel 4). Beispielsweise sei der Wunsch, Produkte und Dienstleistungen, die andere Menschen glücklich machen, zu produzieren bzw. zu erbringen, typisch. Im letzten Kapitel werden verschiedene Phasen beschrieben, die eine HSP üblicherweise auf der Suche nach ihrer Berufung durchläuft. Am Ende steht dann die „erlösende Phase“ („Sie haben Ihren Platz in der Berufswelt gefunden“).

Das Neugeborenen-Ich (NI) ist ein neuartiges Modell, das viele Charakteristika von HSP erklären kann. Hier werden sich viele HSP-Leser wiedererkennen. Es muss allerdings keineswegs das einzige denkbare Erklärungsmodell darstellen. Insofern wirkt der recht dogmatische Tonfall („Sie als HSP sind…“, „Sie als HSP brauchen…“) auf mich etwas befremdlich. Auch unter HSP gibt es vielfältige Ausprägungen. Sehr viele Charakterisierungen treffen sicherlich auch auf Nicht-HSP zu. Beispiel: „Viele HSP erkennen recht schnell, dass leckere Speisen sehr gut geeignet sind, sich schnell positive Gefühle zu verschaffen.“ Sicherlich ist das so, aber dem werden auch Nicht-HSP zustimmen. Ebenso „Wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich eine andere. Scheinbar ist dieses Prinzip ein fester Bestandteil von hochsensiblen Lebensläufen.“ Ja, das ist wohl so, aber auch für Nicht-HSP.

Warum man Intuition als Fähigkeit des Höheren Ichs (HI), mit anderen HI in Verbindung zu treten, erklären sollte, leuchtet mir nicht recht ein. Der weniger spirituell veranlagte Leser mag sich da lieber auf handfeste Erkenntnisse der Neurowissenschaften berufen. Sätze wie „Treffen also Gedanken (Elektrizität) und Gefühle (Magnetismus) auf einander, so entsteht logischerweise eine Art von Elektromagnetismus“ zu äußern und sich dabei auf Physik zu berufen, stört doch den Lesefluss eines durchschnittlich naturwissenschaftlich gebildeten Lesers arg.
Auch andere Thesen Rohleders scheinen recht gewagt, z.B. geht er davon aus, dass ein Grossteil der Suizide von HSP begangen wird.

Fazit: Wer sich an dem etwas zu sehr von sich überzeugten Tonfall nicht stört und spirituelle Aspekte als hilfreich ansieht, wird hier eine neue Sichtweise auf Hochsensibilität finden, die möglicherweise eigene Erfahrungen und Beobachtungen in einem neuen Licht erscheinen lassen. Der Weg zu einer sinnvollen Berufung bleibt trotzdem ein langer und steiniger; Abkürzungen sind kaum möglich.

Autor: Michael Knorrenschild
Vorabveröffentlichung; Erscheinen geplant für Intensity 8

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Sohst, Kathrin, Zart im Nehmen: Wie Sensibilität zur Stärke wird

Kathrin Sohst ist PR-Beraterin, Dokumentarin und Fotografin. Selbst hochsensibel, hat sie ein Netzwerk für hochsensible Menschen aufgebaut und bezeichnet sich als Botschafterin für Hochsensibilität.

Seit den Büchern von Elaine Aron, Georg Parlow und Marianne Skarics sind viele andere erschienen, die sich mit dem Thema Hochsensibilität beschäftigt haben. Auch wenn die Gesamtsituation heute noch nicht so ist, dass zumindest ein großer Teil der Betroffenen von seinem Wesensmerkmal weiß, erfährt das Thema doch eine immer größere Öffentlichkeit. Das vorliegende Buch setzt die wichtige Aufklärungsarbeit fort. Seine Besonderheit liegt darin, dass die Stärken der Hochsensibilität in den Vordergrund gestellt werden.

Das Buch beginnt mit einleitenden persönlichen „Buch-Gedanken“ und „Hochsensiblen Botschaften“. In der Folge ist es in drei Kapitel unterteilt: (1) Infopoint Hochsensibilität: Wie zarte Menschen sind, (2) Erfahrungsberichte und Perspektiven: Was hochsensible Menschen erleben, (3) Strategien und Impulse: Was die Zarten stark macht. Es schließt mit einem „Fazit“ und einem „Zart-stark-Manifest“.

Nach den einleitenden Gedanken und Botschaften werden im ersten Teil die Aspekte von Hochsensibilität in ihren verschiedenen Ausprägungen dargestellt sowie die gängigen Begriffe definiert und erläutert. Danach findet sich, ausgehend von der Frage „Bin ich hochsensibel?“ ein entsprechender Selbsttest. Im weiteren Verlauf werden die Auswirkungen von hochsensiblen Wesensmerkmalen, diese bedingt durch die Andersartigkeit der Sinneswahrnehmung, beschrieben. Die negativen Aspekte wie z. B. Stressanfälligkeit, Verletzlichkeit, Angst- und Schuldgefühle, werden als „Herausforderungen für Hochsensible“ bezeichnet; die positiven Fähigkeiten wie z. B. Empathie und soziales Verständnis, ausgeprägte Wertevorstellungen, feine Sinne und differenzierte Wahrnehmung, hohe Intuition und Spiritualität, Innovationsfähigkeit und vernetztes, tiefgründiges Denken als „Hochsensible Potenziale“. Das Kapitel schließt mit einem dreiteiligen Fazit: (1) Hochsensibilität ist ein angeborenes Temperament und bedeutet (2) eine besondere Herausforderung. Hochsensible Menschen haben (3) starke Seiten, die entdeckt und gelebt werden wollen.

Im zweiten Teil finden sich die Erfahrungsberichte von Hochsensiblen. Diese beginnen jeweils mit einleitenden Worten der Autorin und schließen mit einem Kurzfazit. Die Berichte der Geschichtenerzähler zeigen, wie sehr sich die feinere Wahrnehmung auf das alltägliche Leben von Hochsensiblen auswirkt. Es sind „tiefe, kritische und intime Einblicke“ und bilden – so Sohst – einen reichen Erfahrungsschatz. Unterteilt sind sie in die Bereiche Sinne, Gesundheit, Arbeit und Beruf(ung), Beziehungen und Familie, Freizeit und Konsum sowie Sinn und Übersinnliches. Man kann solchen Erfahrungsberichten sicherlich kritisch gegenüberstehen, da sie immer nur einen kleinen Teil der möglichen Erscheinungsformen von Hochsensibilität abbilden und immer nur subjektiv sein können. Da aber nach wie vor eine wissenschaftliche Einordnung des Wesensmerkmals fehlt haben solche Erfahrungsberichte ihre Berechtigung. Die von Sohst wiedergegebenen sind authentisch und geben in der hier vorliegenden Bandbreite einerseits Anhaltspunkte für jene, die gerade erst begonnen haben, sich mit dem Thema zu beschäftigen, andererseits aber auch Sicherheit für jene, die noch immer nach Lösungswegen Ausschau halten, um ihre andere Sinneswahrnehmung (neu) einzuordnen. Der zweite Teil schließt mit den Thesen, dass (1) Hochsensible weniger oft auf Gleichgesinnte träfen als andere und es deshalb wichtig sei, Geschichten von erlebter Hochsensibilität zu erzählen, dass (2) jede einzelne Geschichte deutlich mache, wie wichtig es ist, sich eigene Bedürfnisse, Eigenarten und Stärken bewusst zu machen und (3) es keinen Sinn mache, seine Sensibilität zu verstecken.

Im dritten Teil des Buches geht es um den inneren Prozess, Vertrauen in die eigene Intuition zu erlangen, der durchaus längere Zeit in Anspruch nehmen kann. Es geht (erneut) darum, Achtsamkeit für sich selbst zu entwickeln. Sohst beschreibt, was Hochsensible vereint, nämlich „eine große innere Kraft, der absolute Wille zur ständigen Weiterentwicklung und der tiefe Wunsch, ein sensibel-starkes Leben zu führen“. Ausgehend hiervon werden das Zulassen des Wesensmerkmals, die Vergebung für erlittene Verletzungen, das Herauswachsen aus der Komfortzone und das Fokussieren auf das für Hochsensible „Wesentliche“ im Leben benannt, um durch ein daraus resultierendes gesundes Konfliktmanagement die bisher als eher negativ empfundenen Seiten der Hochsensibilität (durch Neubewertung der bisherigen Lebenserfahrungen = Refraiming) in Stärken umzuwandeln. Dieser dritte Teil bietet jedoch keine „fertigen Ratschläge“, deren Befolgung zur sofortigen Verbesserung der Lebenssituation führt. Die Tipps und Anmerkungen sind offengehalten, ein wenig philosophisch, so dass jeder Leser das entnehmen kann, was ihn in der je eigenen aktuellen Lebenssituation möglicherweise weiterbringt. Hier lautet der Aufruf am Schluss des Kapitels (1) die Art der eigenen Wahrnehmung anzunehmen und ihr zu vertrauen, (2) die Stärken zu erkennen, damit die Akkus regelmäßig wieder aufgeladen werden können und (3) Last abzuwerfen und unbeirrt den individuellen Weg zu gehen.

Das Buch schließt mit acht Thesen zu den Stärken von Hochsensiblen. Diese Thesen sind ein erneuter Aufruf, sich seiner Andersartigkeit zu stellen, Sinnzweifel zu beenden und sich als notwendigen und wichtigen Teil einer funktionierenden Gesellschaft zu sehen. Vor diesem Hintergrund schließt sich ein kurzer Ausblick in die Zukunft an.

Kathrin Sohst versteht es, mit einer gewissen Unaufgeregtheit und Leichtigkeit die vielen Aspekte von „Hochsensibilität“ darzustellen: „Wir sind so, machen wir das Beste daraus“. Das Buch macht Mut, mit der eigenen Hochsensibilität positiv umzugehen, ohne zu verschweigen, dass ein Leben nach den meistens klar umrissenen eigenen Wertvorstellungen auch besondere Herausforderungen mit sich bringen kann, wenn nämlich einerseits diese Wertvorstellungen allzu konsequent umgesetzt werden, oder andererseits sich keine Möglichkeiten bieten, das eigene Leben nach diesen Wertvorstellungen, die fast allen Hochsensiblen wesensimmanent sind, auszurichten. Es kommen immer wieder Fachleute, die selbst hochsensibel sind und/oder mit Hochsensiblen arbeiten, zu Wort. Sie setzen durch ihre Erfahrungsberichte noch einmal besondere Akzente.

Das Buch regt an, Schritt für Schritt aus der Komfortzone herauszukommen, das Potential, das Hochsensible haben, zu aktivieren – also den Schatz, den sie in sich tragen, zu bergen. Jetzt! Vor dem Hintergrund der stetig anwachsenden Anzahl von Kindern und Erwachsenen, die (durch Leistungsdruck) intensive psychologische Hilfe benötigen (und von denen ein hoher Prozentsatz hochsensibel sein dürfte), sind wir alle aufgerufen, uns intensiv mit dem Wesensmerkmal Hochsensibilität auseinanderzusetzen. Hierzu ein im Buch enthaltenes Zitat von Hermann Hesse: „Man muss das Unmögliche versuchen, um das Mögliche zu erreichen“.

Autorin: Christiane Lobitz
Vorabveröffentlichung; Erscheinen geplant für Intensity 8

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Zeff, Ted, Glücklich leben in einer reizüberfluteten Welt – Der Ratgeber für Hochsensible

Ted Zeff verspricht in seinem Buch eine Auswahl an Bewältigungsstrategien für Hochsensible, die den Umgang mit den zahllosen alltäglichen Reizen vereinfachen sollen. Um den Leserinnen dieses Buchs eine möglichst konkrete, gut strukturierte und an der praktischen Umsetzung orientierte Anleitung zu bieten, unterteilt er alle Übungen in Themenbereiche und diese wiederum in „Wochen“; hier finden sich auf jeweils nur wenigen Seiten konkrete Handlungsanweisungen. Je zwei bis maximal acht der 52 „Wochen“ werden dadurch einem bestimmten Lebens- bzw. Themenbereich zugeordnet, wobei – wie vermutet werden kann – ein längerer Zeitraum eine intensivere Auseinandersetzung und größere Anzahl von Anregungen bedeutet. Der Autor liefert somit einen Plan für ein ganzes Jahr, der wöchentlich und mit geringem Leseaufwand relativ einfach, praxisnah und mit wenig Mühe umgesetzt werden kann.

Mit diesem Aufbau und der Minimalisierung von Beschreibungen theoretischer und empirischer Hintergründe – das sei an dieser Stelle schon einmal gesagt – gelingt es Zeff durchaus, seinem Ziel einer möglichst guten Umsetzbarkeit und hohen Realitätsnähe gerecht zu werden; bisweilen sogar besser als manch anderem vermeintlich praxisnahem Ratgeber. Die durch Zeff angesprochenen Bereiche decken eine relativ hohe Anzahl an lebensnahen Situationen ab, auf die durch eine hohe Anzahl an Übungen eingegangen wird; sie reichen dabei von Gewohnheitsveränderungen über (morgendliche und abendliche) Routinen, den richtigen Einsatz von Sport und Ernährung bis hin zur Gestaltung von interpersonalen Beziehungen und dem Umgang mit Stress am Arbeitsplatz, was die hohe Umsetzbarkeit der Anregungen wiederum unterstreicht.

Wie bei den meisten anderen populärwissenschaftlichen Ratgebern zur Hochsensibilität, die derzeit auf dem Markt zu finden sind, wird sich auch in diesem Buch relativ ausführlich und sehr tiefgreifend Themen wie der eigenen Seele und Spiritualität gewidmet: Inhalte, die in einem signifikanten Bezug zur Hochsensibilität zu stehen scheinen und immer wieder in diesem Zusammenhang aufkommen (Diesen Aspekt zu diskutieren würde den Rahmen dieser Rezension in vielerlei Hinsicht sprengen; dennoch ist dies ein Punkt, den ich durchaus kritisch in der populärwissenschaftlichen Diskussion zur Hochsensibilität betrachte). Viele der Übungen beziehen demnach auch eher spirituelle Impulse mit ein, wie z. B. aus den Bereichen Yoga, Pilates und der Meditation.

Die übrigen decken ein weiten Rahmen unterschiedlicher Aspekte ab und beinhalten so neben Aufforderungen zur Selbstreflexion auch konkrete Anregungen, wie beispielsweise zu bestimmten Nahrungsmitteln und Getränken, oder aber sehr fokussierte Handlungsstrategien und Möglichkeiten des Abschaltens, wie z. B. das Pausieren in bestimmten Momenten. Auch setzt das Buch nicht voraus, dass man sein ganzes Leben „umkrempelt“ oder gar alle gewohnten Handlungsweisen über den Haufen wirft. Zeff liefert vielmehr eine Fülle von einzelnen Impulsen für die unterschiedlichsten Situationen.

Diese hohe Zahl an Einzelempfehlungen macht das Buch durchaus lesenswert und wertvoll und es ist gut vorstellbar, dass es zu nachhaltigen Veränderungen führen kann, selbst wenn man das eine oder andere Kapitel überspringt und nicht allen Anleitungen folgt. Diese Fülle hat allerdings auch eine negative Seite: Es relativ wahrscheinlich, dass Leserinnen, die sich schon mit dem Thema auseinander gesetzt haben, viele der Übungen bereits bekannt sind und ein Gefühl der Stagnation empfinden könnten. Allerdings kann dieser negative Aspekt relativ schnell gelöst werden, indem die entsprechenden Übungen einfach überspringt und an einer anderen Stelle fortfährt. Ich denke, dass auch die „erfahrenere“ Hochsensible Aspekte finden kann, die für sie selbst wertvoll und auch neu sind und bezüglich derer man für einen selbst Entwicklungspotenzial sieht.

Ein zweiter kritischer Punkt basiert auf meinen eigenen Erfahrungen während des Lesens und bezieht sich auf die starke Strukturierung, leichte Umsetzbarkeit und das Ziel des Buches, durch das relativ langsame Arbeiten (d.h. dadurch, dass nur wenige Übungen für eine Woche beschrieben werden) eben keinen Druck aufzubauen und den Leserinnen Zeit zur Umsetzung zu geben, was oben noch in Form von Lobeshymnen beschrieben wurde: Ich persönlich habe mich beim Lesen relativ schnell fast schon zu stark in meinen Handlungen geleitet gefühlt, was mich schon ganz grundsätzlich davon abhielt, dem Plan, so wie er vorgeschlagen wird, zu folgen. Obwohl ich einige der Tipps äußerst interessant und auch hilfreich fand, ist der unter Hochsensiblen bereits bekannte Aspekt des „Zwangs“ einer, den ich als kritisch in diesem Buch betrachten würde. Hier hätte ich mir eventuell doch etwas mehr Kontext und tiefergehendes Verständnis des Merkmals gewünscht und wäre gerne von dort, wo ich persönlich stehe, „abgeholt worden“.

Insgesamt allerdings bewerte ich das Buch als äußerst hilfreich, prägnant, gut strukturiert und mit einfach im Alltag anwendbaren Hinweisen – definitiv einer der besseren Ratgeber, die auf dem Markt zu finden sind. Es ist – dies sei wertfrei gesagt – möglicherweise etwas anders als die Bücher, die man kennt, aber für hochsensible und nicht-hochsensible Menschen gleichermaßen wertvoll, da insbesondere in der heutigen Zeit nahezu alle Menschen durch ständige Reizüberflutung bedroht sind und von Ted Zeffs Handlungsempfehlungen profitieren können. Für all diejenigen also, die gerne etwas fokussiertere Anweisungen zum Umgang mit Überstimulation im Alltag brauchen und sich wünschen, ist dies ein Ratgeber, der hält, was er verspricht, und praxisnahe Tipps für viele unterschiedliche Alltagssituationen gibt.

Autorin: Teresa Tillmann
Vorabveröffentlichung; Erscheinen geplant für Intensity 8

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Belletristik

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Böhm, Birgit, Alba Brunnstein – Das Geheimnis der tausend Tore

Alba, eine der ProtagonistInnen des Buches, ist ein 12 Jahre altes Mädchen, das sehr gerne liest; am liebsten Abenteuergeschichten auf ihrem Lieblingsplatz im Garten der oft abwesenden Nachbarin. Sie ahnt zu Beginn der Erzählung noch nicht, dass sie sich schon bald selbst in ihrem eigenen Abenteuer wiederfinden wird. Dieses beginnt, als sie einen Jungen namens Tonio und dessen Großvater aus Italien kennenlernt, die in der Zeit der Abwesenheit der Nachbarin in deren Haus wohnen. Durch sie stößt Alba auf geheimnisvolle Schriftzeichen, Bücher und Briefe und begibt sich zusammen mit Tonio durch ein geheimes Tor selbst in die Welt der Elben.

Dort treffen sie auf Waldelben, Nymphen, Mitternachtskobolde und andere rätselhafte Wesen, die es nicht alle gut mit den zwei Menschenkindern und ihren Helfern meinen. Das Ziel der beiden ist nicht nur, Tonios (richtige) Familie zu suchen, die aus dieser Welt stammen soll. Sie müssen zudem das Geheimnis um die tausend Tore lüften, um die Elbenwelt zu retten, denn diese wird von einer großen Angst vor einer unbekannten bösen Macht beherrscht. Damit nimmt der erste Teil von Albas wundersamem größtem Abenteuer ihres Lebens seinen Lauf …

Erzählweise, Schreibstil, die relativ große Schrift und die Einteilung in vier größere Abschnitte mit jeweils kleineren Unterkapiteln tragen zu einem schönen Lesefluss bei, weshalb sich das Buch insoweit auch für jüngere Leserinnen und Leser eignet. Albas jeweilige Umwelt wird zum größten Teil sehr detailliert beschrieben, was bezüglich der „Realität“ zum Teil etwas langwierig wirken mag, bezüglich der Elbenwelt hingegen dem/r LeserIn hilft, sich zurechtzufinden und sich alle geheimnisvollen Gestalten und Gebäude plastisch vorstellen zu können. Die Autorin lässt eine Vielzahl unterschiedlicher Persönlichkeiten zusammentreffen und interagieren, was trotz der doch relativ ernsten Geschichte des Buches immer wieder für lustige Momente sorgt.

Doch nun zu meiner „Hauptaufgabe“ – ist die Protagonistin Alba hochsensibel? Wie bereits in der inhaltlichen Zusammenfassung beschrieben, ist Alba ein Mädchen, das sehr gerne und viel liest und auch lieber alleine ist, als sich größeren Menschenmengen auszusetzen. Des Weiteren ist sie sehr aufmerksam, was beispielsweise Gerüche in der Natur und Eindrücke aus der Umgebung angeht. Sie fragt sehr viel, ist wissbegierig, denkt viel über Geschehnisse des Tages nach und hat ein gutes Gedächtnis. Diese bisher beschriebenen Eigenschaften deuten bereits auf eine gewisse Sensibilität hin.

Weitere, eventuell auffälligere und deutlichere Charakterzüge sind, dass ihr bei zu vielen Aufgaben „der Kopf schwirrt“ und sie sich dann Ruhe wünscht. Sie findet übertrieben freundliches Gehabe sinnlos und wird als ein sehr empathisches Mädchen beschrieben. So findet sich eine Situation zu Beginn des Buches, in der sie vom traurigen Blick ihres Vaters fast zum Weinen gebracht wird, was mich sehr beeindruckte, da ich eine solch große emotionale Verbindung als sehr „speziell“ und „außergewöhnlich“ deute.

Auch beobachtet Alba gerne Menschen. Diese Impressionen interpretiert sie dann, so dass sie Situationen in ihrer Gesamtheit und Komplexität sehr schnell und präzise erfassen und oft lediglich durch Verhalten, Mimik und Gestik anderer Menschen auf Stimmungen schließen kann. Zusätzlich tauchen während des ersten Teils immer wieder Beschreibungen ihrer „Gefühle“ auf; so verriet ihr dieses „Gefühl“ – ihre Intuition – in einer bestimmten Situation beispielsweise, was im nächsten Schritt konkret zu tun sei.

Die meisten dieser Beschreibungen befinden sich allerdings eher am Anfang des Buches. Sobald das Abenteuer in der Elbenwelt beginnt, werden sie immer seltener, und Alba wirkt im Vergleich zu der spannenden neuen Welt „normaler“ – überspitzt ausgedrückt: immer „langweiliger“.

Allerdings möchte ich in diesem Zusammenhang festhalten, dass es – so denke ich - in beziehungsweise neben einer solchen Fantasiewelt, in der jeder Mensch, egal wie sensibel er ist, neugierig, wissbegierig und interessiert, aber auch manchmal psychisch sowie physisch ein wenig überfordert wäre, nahezu unmöglich ist, einen Charakter als „noch besonderer“ darzustellen. Diese „besondere Welt“ und die aus diesem Grund notwendigen detaillierten Schilderungen derselben bringen es mit sich, dass alles andere, so auch Alba, ein wenig in den Hintergrund rückt.

Ein weiterer Grund für die kleine „Enttäuschung“ bzw. „Ernüchterung“ bezüglich der Darstellungen der Sensibilität im Verlauf des Buches ist die Begegnung mit Tonio, dessentwegen und mit dem Alba ihre Reise in das Land der Elben beginnt. Die Beschreibung von Tonio und seinen besonderen Fähigkeiten und Charakterzügen trägt zusätzlich dazu bei, dass der Fokus nicht mehr in dem Maße auf Alba liegt. Mit besonderen Begabungen, wie sie Tonio im Buch zugeschrieben werden, kann sie als relativ „normales“ Mädchen sozusagen nicht mithalten.

Mein Fazit: Alles in allem erscheint das Buch als gelungen; es dürfte sowohl hochsensiblen als auch weniger sensiblen Kindern gefallen. Die Protagonistin Alba wird als äußerst sympathisch und auch sensibel beschrieben, was dazu führt, dass man sich sofort mit ihr verbunden und in allen ihren Abenteuern mit ihr fühlt. Der Autorin gelingt es zwar nur teilweise, ihre Heldin überzeugend als besonders sensibel zu beschreiben. Dies dürfte aber hauptsächlich an der Konstellation der Charaktere und dem Handlungsraum der Geschichte liegen.

Autorin: Teresa Tillmann
Im Dezember 2014 in Intensity 7 veröffentlicht

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Forster, Valerie, Verirrt – Erzählung über ein Leben mit Hochsensibilität

Die Erzählung beginnt mit einem Prolog, in dem die Ich-Erzählerin den Gebirgsketteneffekt schildert, also die Erleichterung beschreibt, die sie nach Kontakt mit dem Begriff der Hochsensibilität erlebt habe. In Beschreibungen von Hochsensibilität erkenne sie Erlebnisse ihrer Kindheit wieder.

Der eigentliche Erzählungstext beginnt mit einem Wanderausflug der Erzählerin Emilie in die Natur, die als solche in ihrer spezifischen Schönheit ausführlich beschrieben wird. Weniger angenehm ist die Begegnung mit einem Waldarbeiter, die sich, soviel sei verraten, der Protagonistin in der Retrospektive aber als Schlüsselerlebnis darstellen wird.

Mit der Großstadt verbindet das lyrische Ich zunächst die Arbeit auf seiner neuen Stelle. Hier leidet Emilie unter dem von ihr wahrgenommenen Kontrast zwischen ihrem intensiven Engagement und der weniger engagierten Mentalität ihrer Kollegen. Sie steht sogar unter dem Eindruck, Einsatz sei in dem Unternehmen nicht erwünscht, was sie in Sinnkrise führt.

Nach Reflexion bezüglich der eigenen Wünsche entscheidet sich die Protagonistin dafür, ihr bisheriges Leben hinter sich zu lassen und eine Reise nach Norwegen zu unternehmen, um Klarheit für ihre Zukunft zu gewinnen. Behindert wird dieses Vorhaben allerdings durch Erschöpfung und eine Depressionsdiagnose; die Symptomatik wird insoweit beschrieben, ohne dass sie eine besondere Dominanz in der Geschichte einnähme.

Etwas ausführlicher erfolgen an dieser Stelle – wir sind an einem guten Drittel des Buches – Darstellungen von Hochsensibilität. In einer Wiedergabe meiner ersten Eindrücke schrieb ich, das Buch wirke „wie ein in Prosa ‚gegossenes‘ Sachbuch über Hochsensibilität“; in der einschlägigen Ratgeberliteratur beschriebene Eigenschaften der hochsensiblen Wahrnehmung würden in der Erzählung als subjektive Erfahrungen der Protagonistin dargestellt.

Eine vorsichtige Einschätzung ihrer Kräfte bewegt Emilie jedenfalls dazu, sich von ihrem Vater – „Papa“ – nach Norwegen begleiten zu lassen. Nach der Abreise nimmt die Schilderung der Reiseerlebnisse viel Raum ein; man steht ein bisschen vor dem Eindruck, die unangenehmen Seiten der Erfahrung stünden für die Autorin im Vordergrund.

Trotzdem erfüllt die Reise ihren Zweck. Die Protagonistin empfindet in Norwegen ein Gefühl der Freiheit, in ihrem Leben die Prioritäten zu setzen, die ihr wichtig sind: Statt „Macht, Gier und materiellem Besitz“ geht es ihr um „Bescheidenheit, Natürlichkeit, Gerechtigkeit“ sowie Autonomie. Sie möchte selbst, ganz handfest gesagt, über ihren Tagesablauf bestimmen inklusive Essens- und Pausenzeiten.

Die Erzählung ist durchzogen von mal versteckten und mal expliziten Hinweisen auf spezifische Eigenschaften Hochsensibler, wenn etwa die starke Bedeutung des Hungergefühls betont wird. Ansonsten findet sich die für Hochsensible nicht untypische Gesellschaftskritik, die vielleicht übersieht, dass es gerade die moderne Gesellschaft ist, die HSP mehr Freiheiten gestattet, als jede andere Gesellschaftsform zuvor.

Möglicherweise führt die subjektive Schilderung des Erlebens von Hochsensibilität dazu, dass dem einen oder andere Leser ein „griffigerer“ Zugang zum Thema ermöglicht wird, als ihn die Konsultation nichtfiktionaler Literatur verschaffen könnte. Mir fiel auf, dass das Buch nicht meinen Lesegewohnheiten entspricht, die von Autoren beeinflusst sind, die, so scheint es mir, im stärkeren Maße bemüht sind, den Gang der Erzählung harmonisch der Entwicklung der Geschichte dienen zu lassen und wohl auch etwas größere Distanz zu ihren Figuren haben. Allerdings war Fontane Autor des zuletzt von mir genossenen Werkes; vielleicht würde ich die Dinge anders sehen, hätte ich mich etwa mit Stuckrad-Barre beschäftigt.

Autorin: Michael Jack
Vorabveröffentlichung; Erscheinen geplant für Intensity 8

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Hanke-Basfeld, Magdalene, Philipp zähmt den Grübelgeier

Das Kinderbuch erschien im April 2015 im Festland-Verlag und umfasst 144 Seiten, die angenehm feste Haptik aufweisen und herrlich von der Autorin selbst bebildert wurden. Tatsächlich kamen mir beim Betrachten des Buches Assoziationen zu Ilon Wikland, der legendären Illustratorin der Bücher von Astrid Lindgren.

In der Geschichte geht es um den sich rund um die Uhr Gedanken machenden Philipp. Dieser ist sieben Jahre alt, lebt mit seinen Eltern in einer Stadt und kämpft sich durch die alterstypischen Themen wie Freundeskreis, Schulalltag, Hobbys bzw. Freizeitgestaltung und Familienleben.

Die einzelnen Kapitel sind witzig betitelt und machen direkt Lust aufs Lesen und Zuhören. Am Ende des Buches finden sich – praktisch gedacht! – Längenangaben der Kapitel, so dass der Vorlesende die Wahl zwischen zehn und bis ca. 15 Minuten Lesezeit hat (und diese Differenz ist bekanntlich manches Mal bedeutsam).

Mir haben besonders die Familienverhältnisse von Philipp gut gefallen: Da ist nicht alles glatt und einfach, sondern realistisch und vielschichtig. So ist Philipps Vater bereits einmal verheiratet gewesen und hat schon eine Tochter namens Suse im „Abituralter“ (?). Mit Suse versteht sich Philipp prima, auch wenn sie sich für sein Empfinden zu selten sehen.

Papa selbst ist definitiv nicht so empfindsam wie Philipp und seine Mama. Papa ist nämlich manchmal auch genervt oder zumindest ungeduldig, was Philipps Gedankenkarussell angeht, und das ist wiederum nicht leicht für Philipp. Aber sie finden kommunikativ gute Kompromisse und spätestens im letzten Kapitel wird sehr deutlich, wie sehr seine Eltern Philipp lieben.

Zur Familie gehören ferner Oma und Opa, die beide eine sehr wichtige Stütze für Philipp sind. Gerade Opa kann sich sehr gut in ihn einfühlen und das macht etliches leichter.

Ich mag die Sprache in diesem Buch. Denn obgleich sehr einfühlsam, warmherzig und HSP-tauglich verfasst ist es doch ein Buch für coole Kids. Mit einer coolen, altersgemäßen Sprache. Und wie herrlich sind doch Begriffe wie „zerquetschlich“!

Ich kann das Buch Philipp zähmt den Grübelgeier rundum empfehlen! Es macht allen Beteiligten Spaß, beruhigt und entspannt, belustigt und besänftigt und ist nie abgehoben! Viel Freude!!

Autorin: Nina da Silva
Vorabveröffentlichung; Erscheinen geplant für Intensity 8

Spielfilme und Dokumentationen

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Film: AD(H)S oder doch Hochsensibilität von Werner Sandrowski

Der Lehrfilm für Heilpraktiker ist zweigeteilt: Die erste gute Stunde besteht aus einem Vortrag des studierten Psychologen und Heilpraktikers Thomas Schnura; es schließt sich ein Gespräch Schnuras mit zwei sich als hochsensibel bezeichneten Personen an, das etwa eindreiviertel Stunden dauert.

Im Vortragsteil stellt Schnura Hochsensibilität und AD(H)S ausführlich vor; uns interessieren hier nur seine Aussagen zum ersten Phänomen. Schnura spricht davon, dass Aufmerksamkeit sehr viel Energie (= Zucker) verbrauche, weshalb das Gehirn sehr sparsam mit ihr umgehe: Es werde sozusagen in einem Moment nur jeweils ein Wahrnehmungsobjekt zum Bewusstsein durchgelassen, wobei etwas bewusst wahrgenommen werde, wenn die Aufmerksamkeit (a) absichtlich auf besagtes Objekt gelenkt werde, es (b) Interesse hervorrufe, (c) gefährlich oder (d) unerwartet sei.

Schnura sagt in diesem Zusammenhang, nur ein Millionstel dessen, was wahrgenommen werden könne, werde bewusst wahrgenommen; er begründet diese nach eigener Aussage zunächst willkürlich klingende Zahl mit der hohen Zahl an Nervenzellen, die permanent Informationen ins Nervensystem abgeben, von denen aber nur ein geringer Bruchteil im Bewusstsein ankomme. Manche Menschen hätten besondere Wahrnehmungsfähigkeiten, etwa absolutes Gehör oder die Fähigkeit, zu erspüren, ob Menschen zusammenpassen; Schnura empfiehlt hier explizit, sich in Bezug auf zwischenmenschliche Beziehungen von Hochsensiblen beraten zu lassen.

Hochsensible seien dadurch gekennzeichnet, dass sie in Bezug auf mehrere Sinne eine niedrigere Reizschwelle aufwiesen. Zur Verdeutlichung erklärt Schnura, dass bei allen Menschen nachts in einem unbekannten Park die Reizschwellen ganz niedrig seien – hier ist man äußerst aufmerksam, um befürchtete Gefahren erkennen zu können. Meistens würden allerdings vor das Bewusstsein starke Wahrnehmungsfilter geschaltet, um vor zu vielen Reizen zu schützen.

Ausführlich erörtert Schnura die durch die Literatur geisternden angeblichen Eigenschaften von Hochsensiblen, wobei dem Verfasser aufgefallen ist, dass Schnura mehrmals von einem guten Langzeitgedächtnis spricht. Der Heilpraktiker betont ferner, dass als negativ empfundene Symptomatik Folge von Traumatisierungen sei.

Zum Thema Diagnostik artikuliert Schnura Skepsis gegenüber existierenden Tests; Betroffene benötigten aber Selbsterkenntnis als hochsensible Personen auch zur Neubewertung der eigenen Person mit dem Ziel der Stärkung der Selbstachtung und zur Heilung alter Wunden. Manche benötigten auch Hilfe beim Umgang mit der Welt und ihren Reizen.

An Ausführungen über AD(H)S, in deren Rahmen auch ein Interview mit Gerald Hüther aus dem heutejournal gezeigt wird, schließt sich der zweite Teil des Films an: Schnura scheint zu glauben, mit „Silke“ und „Werner“ über ihre Hochsensibilität zu sprechen.

In Wirklichkeit werden während dieses Interviews Hochsensibilität und Hochsensitivität im Sinne einer Prädisposition für übersinnliche Wahrnehmungen munter durcheinandergeworfen. So berichtet Werner davon, wie er nach Bezug eines Hauses die Disharmonien in der längst vergangenen Familiengeschichte der Erbauer gespürt habe. Einig sind sich Silke und Werner, dass man die Bodenhaftung nicht verlieren dürfe, da spirituelle Erfahrungen ein Leben aus der Bahn werfen könnten.

Trotz dieser Stirnrunzelmomente enthält das Interview durchaus interessante Gedanken. Beide Interviewpartner berichten von selbstentwickelten Techniken des Copings; Werner weist auf das Schicksal hochsensibler Lehrer hin, die nach der Schule erstmal zwei Stunden ins Bett müssten, um danach den Rest des Nachmittags für die Vorbereitung auf den nächsten Schultag zu nutzen.

Anschlussfähig ist auch etwa seine Erzählung bezüglich seiner Sorge, sein Sohn müsse sich doch verabreden und seine Freizeit aktiver gestalten; stagniere nicht seine Entwicklung, wenn er nachmittags ständig zuhause bleibe? Auch warnt er davor, Schwierigkeiten in der eigenen Lebensgestaltung den falschen Ursachen zuzuschreiben: Anstatt die Wurzel der Probleme bei sich selbst zu suchen werde äußerlichen Faktoren attributiert, etwa Elektrosmog. Schnura reagiert hierauf mit der These, der perfekte Rückzugsort sei man selbst.

Silke zitiert ihren Psychotherapeuten, der sie darauf brachte, sich an ihren Rückzugsort der Kindheit zu erinnern, und berichtet von der Erleichterung, die mit Kontakt mit dem Begriff der Hochsensibilität einhergegangen sei: Ihr sei eine „Gebirgskette“ vom Herzen gefallen. Vorher habe sie sich diffus anders gefühlt, ohne dies genau benennen zu können. Sie hält das aktuelle Schulsystem für nicht wirklich für Hochsensible geeignet.

Die erste Viertelstunde traf das Video in mir einen Nerv: Ich erahnte, was es für eine befriedigende, fast beglückende Erfahrung sein könnte, die Thematisierung von Hochsensibilität in einem deutschen Hörsaal zu erleben. Nach der Viertelstunde machte sich langsam allerdings doch bemerkbar, dass es eben kein Hochschuldozent war, der da sprach, auch wenn Thomas Schnura trotz eines merkwürdigen Ohrrings eine sehr angenehme Vortragsart hat.

Filmtechnisch wirkt das Video fast amateurhaft, was aber eher witzig als ärgerlich ist, auch weil es uns vor allem um die Inhalte geht. Diese entsprechen leider nicht akademischen Standards, was sich etwa daran zeigt, dass Schnura die Sinnlehre von Rudolf Steiner wiedergibt, ohne ihn beim Namen zu nennen. Auch stand ich unter dem Eindruck, im Vortrag Schnuras Inhalte von Wikipedia wiedererkannt zu haben; eine Überprüfung dieses Eindrucks während des Verfassens dieser Kritik bestätigte ihn (ab 24:28).

Da es sich um ein Video für Heilpraktiker handelt, verzeihe ich auch die Thematisierung von Lehren der Kinesiologie: Auch der aufgeklärte und religionskritische Mitteleuropäer glaubt nun mal an Heilzauber. Was ich nicht verzeihe ist die Thematisierung transpersonaler Erfahrungen unter dem Label der Hochsensibilität: Das sind zwei paar Schuhe.

Trotz dieser kritischen Aspekte freut mich das Video. Zumindest der Vortragsteil ist angenehm anzuschauen und sachlicher als so manches andere, was zum Thema auf dem Markt verfügbar ist. Ich hoffe und glaube trotz denkbarer Einwände auch, dass die intensive Thematisierung des Konstruktes in der Ausbildung von Heilpraktikern letztlich seiner Akzeptanz in akademischen Kreisen förderlich ist. Ob das Video 34,95 € (DVD) oder 29,95 € (Download) wert ist, möge der Markt entscheiden.

Autor: Michael Jack
Vorabveröffentlichung; Erscheinen geplant für Intensity 8

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Film: HighSkills: Verschenkt die Wirtschaft die Potenziale hochsensibler und hochbegabter Menschen? von Mona Suzann Pfeil

Das Filmprojekt der Künstlerin und Businesstrainerin Mona Suzann Pfeil wurde zumindest mitfinanziert durch eine Art Crowdfunding; auch der IFHS hat hier finanzielle Unterstützung geleistet, weshalb er im Abspann als „Co-Produzent“ auftaucht.

Pfeil stellt zu Beginn ihres Films die These auf, Gesellschaft und Wirtschaft könnten es sich nicht leisten, auf die spezifischen Potenziale Hochbegabter und Hochsensibler zu verzichten; sie wolle im Verlaufe des Filmes der Frage nachgehen, warum dieses Potenzial zurzeit jedoch nicht genutzt werde.

Zunächst wird aber kurz erklärt, was Hochbegabung und was Hochsensibilität ist, wobei ein kleiner Schnelltest auf hohe Intelligenz vorgestellt wird, dessen Inhalt hier nicht verraten sei. Die Beschreibung von Hochsensibilität, die mit griffigen Beispielen versehen ist, entspricht den üblichen Definitionen und Erklärungen, wobei auffällt, dass gesagt wird, dass rege Augenbewegung und die Art des Blickkontaktes auf Hochsensibilität schließen lassen könne; auch würde Blickkontakt gern vermieden, weil dieser auf Betroffene sehr intensiv wirke. Die im Film befragten Hochbegabten bejahen für sich auch besondere Sensibilität, wobei die Stellungnahme eines Rechtsanwaltes auffällt, der auf Ungerechtigkeiten stark reagiert – das findet sich so in der Literatur in der Tat als prägnantes Merkmal von Hochsensiblen.

Die spezifischen Probleme von Hochsensiblen und Hochbegabten resultierten daraus, dass die gesellschaftlichen Systeme auf die durchschnittliche Mehrheit ausgerichtet seien; viele Betroffene versuchten, ihre diffus empfundene Andersartigkeit zu verbergen, wobei die Realisierung spezifischer Potenziale häufig auf der Strecke bleibe. Im Film wird auch Andrea Brackmann, Autorin des Buches Jenseits der Norm – hochbegabt und hoch sensibel, zitiert, die Zweifel als wesentliches Merkmal der hochbegabten Persönlichkeit betrachtet.

Als spezifische Führungsfähigkeiten von Hochsensiblen (?) werden ihre positive Wirkung auf ein harmonisches Betriebsklima hin, Empathie und Bereitschaft zu Engagement genannt; ferner könnten sie Fehler antizipieren (und damit vermeiden) sowie als Frühwarnsystem dienen für ungute Entwicklungen. Interessanterweise fällt der Begriff „Frühwarnsystem“ mindestens zweimal im Film; anscheinend teilt Pfeil meine Wahrnehmung, dass dies mit die wichtigste Rolle für Hochsensible im Wirtschaftsleben sein kann. Als Beispiel für die Nutzung spezifischer Potenziale stellt der Film eine Hochsensible vor, die durch ihre Fähigkeiten zur Strukturierung und zum Ordnungsaufbau sich von einer Nebenjobberin zur Geschäftsführerin hochgearbeitet habe. Weiteres Beispiel im Film ist ein IT-Spezialist, der sich zum Heilpraktiker habe umschulen lassen.

Besondere Fähigkeiten müssten, so empfiehlt ein Personaler, kommuniziert werden; ein passives Warten auf eine Entdeckung reiche nicht aus. Für sich selbst müsse man, so Pfeil, selbstbestimmt für das eigene Wohlergehen sorgen und eigene Grenzen berücksichtigen. Für die Realisierung ihres besonderen Leistungspotenzials benötigten Hochsensible geeignete Arbeitsbedingungen; diese einzurichten sei für Unternehmen aufgrund der spezifischen Kompetenz der Betroffenen aber kein Luxus. Führungskräfte müssten insoweit „enge Rückmeldeschlaufen“ etablieren, damit sichergestellt sei, dass jeder erhalten könne, was er brauche.

Pfeil schließt unter anderem mit dem Plädoyer dafür, dass die Community Führungskräften „etwas an die Hand geben“ müsse, also der Wirtschaft Handreichungen gegeben werden müssten, wie die speziellen Potenziale der Hochbegabten und Hochsensiblen genutzt werden könnten.

Die gemeinsame Behandlung von Hochsensibilität und Hochbegabung in einem Film klingt nach einer interessanten Idee, birgt aber die Gefahr, dass hier die Unterschiede zwischen den Phänomenen ein wenig verwischt werden. Leider ist auch im Film von Pfeil nicht immer ganz klar, wovon gerade genau die Rede ist. Teilt man die vom IFHS vertretenen Prämisse, dass es sich bei Hochsensibilität und Hochbegabung um unterschiedliche Phänomene handelt, führt das zu Nachfragen.

Pfeil konnte Manfred Spitzer und Richard David Precht zu einer Teilnahme an dem Filmprojekt gewinnen; meinem Eindruck nach ist der Erkenntnisgewinn der spezifischen, ausgewählten Stellungnahmen der beiden aber begrenzt. Insgesamt erscheint der Film als erster Einstieg in beide behandelten Thematiken als geeignet; es hätte in meinen Augen aber vielleicht deutlicher werden können, welche spezifischen Rollen Hochsensible in Unternehmen einnehmen können.

Autor: Michael Jack
Vorabveröffentlichung; Erscheinen geplant für Intensity 8

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Film: Sensitive – The Untold Story von Elaine Aron

Der in englischer Sprache produzierte und mit deutschen Untertiteln erhältliche Film beginnt mit der Erzählung Arons, dass ein lebenslanges Fremdheitsgefühl sie 1987 zu einer Psychotherapeutin geführt habe, die ihr gegenüber geäußert habe, sie (Aron) sei wohl „highly sensitive“ (hoch sensibel). Was das heißt, versucht der Film im Anschluss durch Darstellungen und Schilderungen von Situationen der Reizüberflutung und mit Zitaten einer Selbstbeschreibung Arons in der psychotherapeutischen Situation darzustellen.

Aufgrund der Stellungnahme besagter Therapeutin habe Aron mit Forschungsinterviews begonnen und dabei festgestellt, dass 30 % der Hochsensiblen extrovertiert seien; man habe es also nicht mit der bekannten Introversion zu tun. Im Film kommen u. a. die „Parallelforscher“ Boyce, Belsky und Pluess zu Wort: Es wird betont, dass andere Wissenschaftler von anderen Ausgangspunkten aus zu vergleichbaren Erkenntnissen über sensible Menschen und Tiere gekommen seien, wie Aron.

Diese argumentiert, Sensibilität müsse in der Evolution Vorteile mit sich gebracht haben; wiesen 20 % einer Population ein bestimmtes Merkmal auf, könne dies kein Nachteil sein. Boyce sagt, Reaktivität (auf Reize) lasse sich durch Anlage in Kombination mit Umwelteinflüssen, die teilweise schon im Mutterleib wirkten, erklären.

Nach der generellen Einführung arbeitet der Film die einzelnen wichtigsten Merkmale Hochsensibler ab, die Aron mit dem Akronym DOES umschreibt: Debt of processing (Tiefe Verarbeitung), Overstimulation (Reizüberflutung), Emotional Reactivity (stärkere Gefühlsreaktionen), und Sensing the Subtle (Wahrnehmung von Feinheiten, Einzelheiten). In diesem Zusammenhang betont Aron, dass Schüchternheit oft mit Hochsensibilität verwechselt werde; es bestehe generell die Gefahr von Fehldiagnosen.

Die Hirnforscherin Bianca Acevedo betont, dass zwar bei HSP im Falle von Reizeindrücken bestimmte Hirnregionen stärker aktiviert würden, was für höhere Verarbeitungstiefe spreche, nicht jedoch automatisch die Amygdala; insofern liege keine angstbezogene Störung vor.

Die Reizüberflutung, so Aron, könne Quelle für Frustration und Verwirrung sein sowohl für die HSP wie auch für ihre Umwelt. Die Sängerin Alanis Morissette sagt hier im Interview, ihre Mitmenschen wollten die positiven Seiten ihrer Sensibilität ausbeuten; die negativen würden jedoch abgelehnt. Sie habe Meltdowns und Breakdowns (Zusammenbrüche) erlitten in der Zeit, als sie nicht ihrer Hochsensibilität entsprechend gelebt habe.

Aron betont, dass Emotionalität nicht mit Irrationalität verwechselt werden sollte: Man denke gründlicher über Themen nach, die einem wichtig seien.

Die Psychologin Jadzia Jagiellowicz sagt, aufgrund der subtileren Reizverarbeitung seien HSP in der Lage, nicht offensichtliche Parallelen zwischen alten Erfahrungen und neuen Wahrnehmungen zu ziehen, was Kreativität hervorbringe. HSP wiesen eine höhere Aktivität in der Inselrinde auf, seien also „bewusster“.

Im sozusagen zweiten Teil des Films geht es um die „klassischen“ Themen Kinder und Arbeit – die Liebe wird anscheinend ausgespart (und soll Thema eines zweiten Films werden, der zur Zeit produziert wird).

Pluess berichtet von seinem Konzept der differential susceptibility theory; es habe sich gezeigt, dass sensiblere Kinder stärker unter negativen Kindheitserfahrungen litten, aber ebenso stärker von positiven profitierten. Als generelles Problem hochsensibler Kinder wird fehlende Akzeptanz durch nicht hochsensible Eltern dargestellt; dies könne Unsicherheiten der Kinder verstärken. Ted Zeff betont, aufgrund kultureller Stereotype hätten hochsensible Jungen potenziell größere Probleme als Mädchen.

Aron sagt, die Bedürfnisse von Hochsensiblen in der Arbeitswelt unterschieden sich nicht fundamental von jenen durchschnittlicher Arbeitnehmer: Man brauche ein bisschen Ruhe und ein bisschen Bestärkung. Erwerbsbiografien Hochsensibler wiesen häufig Veränderungen und eine Tendenz zur Selbständigkeit auf. Hochsensible seien, so ein Manager, aber gute Führungskräfte, da sie nichts übersähen, sich zurückhielten, um Teammitglieder die Früchte ihrer Arbeit ernten zu lassen, und eine „angeborene“ Fähigkeit besäßen, das Richtige zu sagen und zu tun.

Meike Andresen von der Uni Bamberg berichtet, Hochsensible hätten in der Regel keine Angst vor Führungsaufgaben. Bei der Vorstellung von Hochsensibilität könne aber bei Arbeitgebern der falsche Eindruck entstehen, Hochsensible hätten besondere Bedürfnisse (ähnlich wie manche Behinderte). Aron betont, Organisationen benötigten die spezifischen Kompetenzen von HSP und nicht-HSP.

Der Film überzeugt trotz der (wenigen) Spielszenen, die sich an der Grenze zum Kitsch bewegen, nicht zuletzt handwerklich, wobei die flotte Inszenierung der Visualisierung die witzige Frage aufdrängt, ob hier nicht zu viele Reize in zu kurzer Zeit gezeigt werden, ob also ein Film über HSP vielleicht nicht unbedingt für HSP geeignet ist. Der Autor dieser Zeilen sah ihn allerdings ohne Irritation mit Interesse und hatte den Eindruck, dass das Werk sehr gehaltvoll war: Auf angenehm hohem Niveau werden die wichtigsten Aspekte zum Thema (Liebe ausgenommen) sachgerecht angesprochen. Gute Arbeit.

Autor: Michael Jack
Vorabveröffentlichung; Erscheinen geplant für Intensity 8

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Film: Jeder fünfte – ein Film über Hochsensibilität von Mikael Funck u. a.

Der schwedische Kurzfilm von gut 14 Minuten Länge will ein erstes Grundverständnis des Themas Hochsensibilität ermöglichen durch Darstellung der „drei wahrscheinlich schwierigsten Situationen“ für Hochsensible. Er wurde in ehrenamtlicher Arbeit mit finanzieller Unterstützung eines schwedischen Vereins zum Thema Hochsensibilität erstellt und kann im Internet unter anderem mit deutschen Untertiteln angesehen werden (YouTube).

Die „drei wahrscheinlich schwierigsten Situationen“ entsprechen drei kurzen Episoden im Film, die jeweils ein Mitglied einer Familie von Hochsensiblen erlebt. Zunächst sind die Schwierigkeiten des Sohnes im Teenageralter in der Schule Thema, wobei Lärm und Unruhe im Klassenraum als Irritationsquelle im Rahmen einer Rückblende gezeigt werden: In der Jetzt-Zeit des Films hat sich die Problematik erheblich gebessert, wie im Elterngespräch deutlich wird: Jetzt ist im Klassenraum etwas mehr Ruhe und der Schüler kann zwischendurch sogar alleine in einem Gruppenraum arbeiten, wenn ihm das lieber ist, wobei er gern als Nachhilfelehrer seiner Mitschüler in Anspruch genommen wird.

Die zweite Episode zeigt die Mutter, die als Verkäuferin in einem Eisenwarenladen arbeitet: Sogar der Zuschauer spürt unangenehm das im Hintergrund klingelnde Telefon, die Hintergrundmusik und den Stress, den Kunden durch ihren Bedarf nach Beratung verursachen. Der Chef kennt jedoch seine Mitarbeiterin und weiß, was er an ihr hat: Schon wenn sie eine kleine Pause bekommt, so sagt er, sei sie zäher und arbeite härter als die anderen Mitarbeiter. Und so schickt er sie in das ruhigere Büro, als er merkt, dass sie eine Pause vom Trubel im Ladengeschäft brauchen könnte; schließlich muss ja auch jemand Bestellungen bearbeiten.

Schließlich sucht die Großmutter (?) ein privates Fest auf; in einer Rückblende sehen wir, wie Lautstärke und Unruhe auf einem früheren Fest unangenehm für unsere Protagonistin waren. Aber auch in diesem Fall ist jetzt alles anders: Die Prota hat ihrer Gastgeberin von ihrer Sensibilität erzählt und so erkannte diese nicht nur, dass eine andere Person ebenfalls betroffen ist, sondern änderte auch die Rahmenbedingungen beim nächsten Zusammentreffen: Es ist angenehm gemütlich und ruhig.

Der Film schließt mit einem erläuternden Gespräch zwischen Großmutter und Gastgeberin, in dessen Rahmen auch die Vorteile von Hochsensibilität thematisiert werden: Man könne sich in Stimmungen anderer Menschen hineinversetzen, spüre, was andere fühlten. Hochsensible seien Problemlöser und gute Führungskräfte.

Wenn man bemerkt, dass der Film durch ehrenamtlich tätige Filmemacher produziert wurde, dann allenfalls daran, dass man offensichtlich liebevoll bei der Arbeit gewesen war; nach Wahrnehmung des Rezensenten würde er in Bezug auf Qualität auch als Arbeit von Profis „durchgehen“. Sehr angenehm fällt auf, dass die mit Hochsensibilität einhergehenden Probleme zwar treffend, aber auch als überwunden oder zumindest zu bewältigen dargestellt werden; speziell das dargestellte Verständnis der Mitmenschen weckt Sehnsüchte. Sehr gefallen hat dem Rezensenten, wie der Filmton bewusst genutzt wird, um die Pein deutlich zu machen, die diffuser Lärm verursacht: Der Zuschauer leidet mit.

Autor: Michael Jack
Vorabveröffentlichung; Erscheinen geplant für Intensity 9

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Wissenschaftliche Veröffentlichungen

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Blach, C., & Egger, J. W. (2014). Hochsensibilität – ein empirischer Zugang zum Konstrukt der hochsensiblen Persönlichkeit. Psychologische Medizin, 25, 4-16.

In ihrer Studie untersuchen Blach und Egger Zusammenhänge zwischen dem Konstrukt der Hochsensibilität (HS) nach Aron und den Parametern Ängstlichkeit, Depression, Stress, Kardiosensitivität, Alter und Geschlecht. Ängstlichkeit und Depression erfassten sie mittels Fragebögen, Stressreaktivität durch die Messung somatischer Variablen (u. a. Blutdruck und Herzfrequenz) und die Kardiosensitivität (Fähigkeit, den eigenen Herzschlag wahrzunehmen) mittels Herzschlagwahrnehmungstests. HS wurde mit dem Fragebogen zur Feinfühligkeit (Blach und Egger, 2011) erhoben, einer ins Deutsche übersetzten Version der Highly Sensitive Person Scale von Aron und Aron (1997).

Den Untersuchungsablauf samt Stichprobenbeschreibung und alle Schritte der Überprüfung ihrer insgesamt drei Hypothesen beschreiben die Autoren sehr detailliert. Bezüglich der angewandten statistischen Methoden argumentieren sie einwandfrei und nachvollziehbar. Die Ergebnisse sind so genau dargestellt, dass es hier den Rahmen sprengen würde, sie in aller Ausführlichkeit zu besprechen. Die nicht signifikanten Resultate fasse ich kurz zusammen; auf die bedeutsameren Ergebnisse gehe ich genauer ein.

Bezüglich Stressreaktivität ließe sich vermuten, dass HSP schneller auf Stress reagieren als nicht-HSP. In der hiesigen Studie lässt sich diese Vermutung in allen physiologischen Untersuchungen nicht bestätigen: Die Unterschiede zwischen HSP und nicht-HSP sind nicht bedeutsam!

In Bezug auf Kardiosensitivität stellt sich heraus, dass unabhängig vom HS-Konstrukt Männer präzisere Herzschlagwahrnehmer sind als Frauen. Signifikante Unterschiede zwischen HSP und nicht-HSP sind nicht festgestellt worden.

Das HS-Konstrukt lässt sich zu einem großen Teil durch Geschlecht [Frauen sind feinfühliger als Männer], Alter [Ältere sind sensibler als Jüngere] und durch die erhobenen Variablen Ängstlichkeit, chronischer Stress und Depression „erklären“. In früheren Studien (beispielsweise Aron & Aron, 1997 oder Hofmann & Bitran, 2007, beide in der Literaturangabe der Studie) wurden ähnliche Befunde erhoben: Hochsensible Personen (HSP) weisen höhere Ängstlichkeits- und Depressionswerte auf. Die Wahrscheinlichkeit, dass HSP eine Angststörung entwickeln, ist größer als bei nicht-HSP. Ein signifikanter Zusammenhang zwischen HS und Depressions- und Ängstlichkeitsparametern liefert allerdings keine Information über die Richtung der Beziehung: Reagieren ängstliche Menschen (vielleicht aufgrund ihrer Erfahrungen) sensibler oder neigen (hoch)sensible Menschen stärker zu Ängstlichkeit und Depression (hier auch aufgrund ihrer Erfahrungen)? Dies kann noch nicht eindeutig beantwortet werden.

Im Rahmen ihrer ausführlichen Diskussion dieser Frage reflektieren Blach und Egger auch auf ihre Messinstrumente, insbesondere bezüglich des STAI (State-Trait-Angst-Inventar): Das STAI erfasst möglicherweise mehr die kognitiven bzw. psychologischen als die somatischen Aspekte der Angst. Unter Ängstlichkeit versteht man die psychologische Komponente der Angst, zum Beispiel, als wie bedrohlich eine Situation bewertet wird. Diesen psychologischen Anteil der Angst erkläre das Konstrukt HS besser als die physiologische Komponente derselben Angst. Die Vermutung liegt nahe, dass HS „ein primär psychologisches Phänomen ist, das erst sekundär physiologische Auswirkungen generiert“. Dies würde bedeuten, dass eine HSP eine gewisse Situation intensiver wahrnimmt und „gründlicher“ bewertet: Dies ist die psychologische Komponente. Abhängig von ihrer Einschätzung und ihrer Erfahrungen würde diese HSP mit mehr oder weniger Angstsymptomen reagieren: Dies ist die physiologische Komponente der Angst.

Dem naheliegenden Einwand: „Aber das ist doch für alle Menschen so und das ist normal“ ist zu entgegnen, dass der Dreh- und Angelpunkt vermutlich darin liegt, dass HSP potenzielle Gefahren früher, intensiver oder bewusster wahrnehmen und dann auch noch tiefgründiger, intensiver oder bewusster bewerten. Und deshalb tendenziell ängstlicher sind.

In diesem Zusammenhang besprechen Blach und Egger einen weiteren Aspekt: HSP weisen viele Ähnlichkeiten mit den in der Psychologie bekannten „Sensitizern“ auf: im Gegensatz zu „Repressern“ richten Sensitizer ihre Aufmerksamkeit stärker auf emotional negativ assoziierte Reize und darüber hinaus bezeichnen sie sich, wenn gefragt, häufiger als krank. Gerade bei solchen Personen seien sensible und ganzheitliche therapeutische Interventionen vonnöten: Neben den physiologischen Anteilen eines Störungsbildes sollten auch seine kognitiven, emotionalen und handlungsbezogenen Aspekte herangezogen werden; andernfalls würden HSP und Sensitizer zu „doctor shopping“ tendieren, weil sie sich nicht verstanden fühlten.

Wie in allen Büchern und Artikeln, die ich bisher gelesen habe, diskutiert auch diese Studie die Dimensionalität des Konstrukts der Hochsensibilität. Aron und Aron haben postuliert, dass Hochsensibilität eindimensional ist. Der von Blach und Egger verwendete Fragebogen zur Feinfühligkeit weist eine mehrfaktorielle Struktur auf; extrahiert wurden u. a. leichte Erregbarkeit, ästhetische Sensibilität (positiver Anteil) und eine niedrige sensorische Reizschwelle. Blach und Egger sind der Ansicht, dass andere Faktoren wie eine hohe moralische Werthaltung, Empathie und Gewissenhaftigkeit im Zusammenhang mit HS näher untersucht werden sollten.

In ihrem Ausblick plädieren die Autoren für weitere Studien zur Erhebung zusätzlicher Befunde über Einflüsse aus der Kindheit und bezüglich einer möglichen genetischen Disposition der HS.

Fazit: Zu diesem Teilbereich der Hochsensibilitätsforschung – der gegenseitige Einfluss von HS und Ängstlichkeit sowie möglicherweise daraus entstehende psychische Störungsbilder, insbesondere Angststörungen und Depression – liefert diese Studie einen wichtigen Beitrag. Ärzten und Psychotherapeuten kann die Lektüre des Artikels, insbesondere des Diskussionsteils, sehr ans Herz gelegt werden.

Autorin: Françoise Goldmann
Vorabveröffentlichung; Erscheinen geplant für Intensity 8

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Blach, Christina (2016). Ein empirischer Zugang zum komplexen Phänomen der Hochsensibilität (Dissertation Medizinische Universität Graz).

Zum Untersuchungsziel: Es wurde überprüft, inwieweit Ängstlichkeit, Depression, Stress, Alter und Geschlecht das mittels eines spezifischen Erhebungsinstruments gemessene Konstrukt Hochsensibilität vorhersagen. Psychophysiologisch wurde getestet, ob solcherart hochsensible Personen eine stärkere Stressreaktivität und eine präzisere Herzwahrnehmung aufweisen.

„Hochsensibilität“ wird hier im Rahmen der durchgeführten Studien operationalisiert bzw. definiert als Temperamentsmerkmal, das sich bei Personen zeigt durch „gehemmtes Verhalten vor allem in neuartigen Situationen, eine offenere und subtilere Wahrnehmung, die in reizintensiven Situationen leicht zu Übererregung führen kann, eine intensivere zentralnervöse Verarbeitung von inneren und äußeren Reizen sowie damit einhergehende stärkere emotionale Reaktionen (Aron, Aron & Jagiellowicz, 2012).

Zur Methode: Insgesamt 50 ProbandInnen (25 weiblich, 25 männlich) aus dem nicht universitären Umfeld (keine PsychologiestudentInnen!) wurden mittels diverser Fragebogen untersucht. Die Kardiosensibilität wurde mittels Herzwahrnehmungstests sowie im Rahmen eines EKG erhoben. Die methodischen Details können jederzeit in der Originalversion der Dissertation nachgelesen werden.

Zum Ergebnis: Ängstlichkeit, Depression, Stress, Alter und Geschlecht klären 59% der Varianz von Hochsensibilität auf, d. h. diese Faktoren sagen einen Gutteil des offensichtlich mehrdimensionalen Konstrukts Hochsensibilität vorher. Die Hochsensibilitätswerte steigen dabei mit zunehmendem Alter und sind bei Frauen stärker ausgeprägt als bei Männern, was jedoch auch mit dem eher ungünstigen Image zusammenhängen könnte, das Hochsensibilität für viele Männer hat. Die psychologische Komponente Ängstlichkeit (Angst als trait/überdauernde Persönlichkeitseigenschaft) trägt dabei signifikant zur Aufklärung bei.

Präzise und unpräzise Herzwahrnehmer weisen keinen Unterschied in der Hochsensibilität auf. Ferner zeigt sich hinsichtlich kardiovaskulärer Stressreaktivität kein Unterschied zwischen Hochsensiblen und Nicht-Hochsensiblen. Es gibt anscheinend keinen Zusammenhang zwischen Hochsensibilität und der Fähigkeit, seinen eigenen Herzschlag präzise wahrzunehmen oder auf Stress mit mehr Herzklopfen zu reagieren. Dies lässt die Annahme zu, dass Hochsensibilität zwar ein mehrdimensionales, möglicherweise aber primär psychologisches Phänomen ist, das erst sekundär physiologische Wirkungen generiert. Man kann Hochsensibilität also noch nicht körperlich messen wie z. B. den Blutdruck oder die Sehschärfe.

Auf der wissenschaftlichen Ebene ist zu der Dissertation zu sagen, dass sich die Autorin sehr viel Mühe gegeben hat, die Sachverhalte empirisch sauber und statistisch korrekt darzustellen und in Bezug zu setzen zum bestehenden Forschungsstand zur Hochsensibilität. Wer jemals eine wissenschaftliche Arbeit in der Psychologie verfasst hat, weiß um die besondere Herausforderung, die an die wissenschaftlich korrekte Darstellung lebensnaher Sachverhalte gestellt wird und wie schwierig es vor allem ist, genug zuverlässige ProbandInnen außerhalb des universitären Umfelds zu finden, um die erforderlichen Mindest-Stichprobengröße in der Erhebung umzusetzen, um multivariate statistische Verfahren überhaupt sinnvoll anwenden zu können. Insofern geht hier ein großes Lob an Frau Blach und ihre betreuenden Doktor-Väter!

Anwendungsbezogen wurde zum einen der „Fragebogen zur Hochsensibilität“ (von Aron & Aron, 1997) empirisch überprüft, der zur ersten Selbsteinschätzung einer Hochsensibilität geeignet erscheint (Details vgl. Dissertation).

Dabei konnte neben den eher ungünstig anmutenden Eigenschaften von Hochsensibilität (z. B. leichte Erregbarkeit, niedrige sensorische Reizschwelle, zeitliche Überforderung, sozialer Rückzug) auch statistisch die Annahme abgeleitet werden, dass Hochsensibilität durchaus positive Aspekte beinhaltet wie z. B. ästhetische Sensibilität und Gewissenhaftigkeit.

Weiterhin bleibt die Frage offen, welche anderen Faktoren die verbleibenden 41% der Varianz aufklären, die in dieser Erhebung nicht eindeutig aufgeklärt werden konnten. Die Autorin vermutet dabei Eigenschaften wie Gerechtigkeitssinn, verinnerlichte starke moralische Werthaltungen, stark ausgeprägte Empathie, die in anderen Studien bereits aufgezeigt werden konnten (z. B. bei Hoffmeister, 2012). Auch Kreativität und Phantasie, Religion/Spiritualität, Perfektionismus, prosoziales Verhalten, emotionale Intelligenz, Hilfsbereitschaft, Hang zur Selbstkritik und Melancholie gehören dazu, was sich mit der realen Erfahrung bei der Arbeit mit Hochsensiblen deckt.

Inhaltlich hat sich Frau Blach einem sehr komplexen und anspruchsvollen Thema zugewendet, das für die weitere Forschung zum Thema „Hochsensibilität“ von großer Bedeutung ist. Vor allem wird deutlich, dass die gesamte Forschung zur Hochsensibilität noch in den Kinderschuhen steckt und noch präzisere Instrumente zur „Messung“ von Hochsensibilität erforderlich werden, um Hochsensiblen und Fachleuten (z. B. Ärzten und Psychotherapeuten, Lehrern) den angemessenen Umgang mit diesem Phänomen zu erleichtern.

Autorin: Karin Joder, http://www.dr-karin-joder.de
Vorabveröffentlichung; Erscheinen geplant für Intensity 9

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Reviews in English

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Aron, E. N. (2010). Psychotherapy and the Highly Sensitive Person.

The subtitle of Aron's new book – Improving Outcomes for That Minority of People Who Are the Majority of Clients – already indicates why Psychotherapists in her opinion should acquire knowledge about sensory processing sensitivity: Aron says in her preface that she assumes that about half of all clients are likely to be HSPs; their major problems tend to be depression, anxiety and shyness, which are probably caused by bad childhood experiences. Although many HSPs believe to be suffering from a disorder, sps itself is said not to be one – Aron's most important argument is the extraordinary benefit HSPs receive from good childhoods. Her major experience as a professional therapist is that therapies take longer due to the fact that building trust requires more time.

In her first chapter Aron provides some basic points of orientation as to what to make of sps. Well known definitions and descriptions are given; although men are less ready to admit being highly sensitive, or to openly discuss it, there are as many male as female HSPs. Aron gives a rough idea of how to distinguish sps from pathologies and also stresses that any treatment with medication should best start with low dosages. Sps is a “package deal” with advantages and disadvantages; a highly sensitive child’s education needs to be specially adapted for their requirements.

The second chapter describes particularities to be considered during anamnesis and diagnostics. The classical "test" is no exclusive basis for diagnosis, as it was developed for the purpose of research. Criteria as how to determine sps are (1) a great depth of processing – leading to intensive intellectual reflection – (2) a tendency towards overarousal – HSPs often show greater nervousness which may lead to chronic symptoms of fear and lack of sleep (which appear like the results of an overdose of cortisol) – and (3) strong emotional intensity, which might also manifest itself in the clients' ability to feel other people's feelings with great intensity. However, therapists will, (amongst a variety of other perceived symptoms), also see fear and anxiety without a cause, sensitivity towards stimuli, and lack of self-esteem as a result of emotional stress.

Two direct consequences of these properties and how to deal with them in a therapeutic context are the subject of the third chapter. Overarousal has many facets, requiring a broad spectrum of coping-strategies. The key skill is a creative reduction of input; HSPs need to learn to say no. Meditation and a quiet lifestyle might be recommendable. Stronger emotional reactions can be dealt with by sophisticated self-management, which includes anticipation and proper interpretation of emotional responses.

Three indirect consequences are presented in chapter four. Many HSPs will have felt flawed since their childhoods and developed low self-esteem, which can be fought by stressing positive sides of the trait. Attempts at being “normal” might result in a wrong lifestyle; shame could be an issue, too. Overreaction to criticism, involving an excessive fear of negative feedback, leads some HSPs to perfectionism. The therapist might intervene by encouraging the development of “a distancing from criticism” – everybody makes mistakes.

In chapter five it is shown how to adjust common forms of treatment to suit the need of the highly sensitive client. A non-HSP therapist will more likely be calmer than an HSP one, thereby presenting a role model, but could also be in danger of not really accepting the trait, which could cause him/her (e. g.) to use too much "volume". The HSP therapist should avoid drawing premature conclusions from himself. Overarousal should be recognised and avoided.

HSPs do not necessarily have difficulties at establishing relationships, Aron says in chapter six. However, in case of insufficient social training, HSPs may be easily bored and annoyed with ordinary everyday contacts. Reactions to overstimulation, (which needs to be avoided), should not be confused with shyness, which is treatable. When analyzing longer relationships, as dealt with in chapter seven, power structures should be investigated: HSPs could turn out to be either submissive or misusing their trait to gain power. Proper general communication and arguing need to be learned; some HSPs might be unwilling to leave unhealthy relationships. Sex will often be a more mystical experience with less variations.

HSPs are potentially good at every job, if they can work – the subject of chapter eight – their way. Problems will often have an interpersonal character; it might be necessary for HSPs to learn to increase their ‘volume’. The possibility of changes in the work-environment depends on the social status of the HSP in the firm – a lot of entrepreneurs will (therefore) be HSP.

In the ninth and final chapter the author describes how other known personality variations might show in HSPs, and stresses that those variations need to be properly distinguished from sps. Extroverts can indeed be HSPs as well; Aron claims she never met any unintelligent HSPs.

The Appendix discusses in detail how sps can be distinguished from DSM disorders and how the latter may display in HSPs. Two shall be mentioned here: A healthy HSP will not show any symptoms of an Attention Deficit/Hyperactivity Disorder without over-stimulation, and patients actually suffering from an Avoidant Personality Disorder will continually be afraid of a negative evaluation, even when with people who are close to them.

The book ends with a research literature review on the subject of sps. Throughout the book Aron provides case examples and short summaries at the end of each paragraph and chapter, which are very helpful, especially for the non-professional reader.

Author: Dr Michael Jack
Published solely on the Internet in March 2011

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Film: Sensitive – The Untold Story by Elaine Aron

The film was produced in English and is available with subtitles in several languages. It begins with the narration of Aron that a livelong feeling of strangeness in 1987 led her to consulting a psychotherapist who expressed her impression that she (Aron) probably was "highly sensitive". What this means the film tries to explain by portraying and describing situations of overstimulation and by quoting self-descriptions of Aron from the psychotherapeutic setting.

Aron says that because of her therapist's statement she began doing research interviews and found that 30 % of the highly sensitive are extroverts which is why the sensitivity is a different phenomenon from introversion. In the film the "parallel researchers" (my term) Boyce, Belsky, and Pluess are given room for statements: Aron stresses that other scientists, starting from different points of origin, have come to findings about sensitive humans and animals comparable to hers.

She says sensitivity must have brought advantages during the evolutionary process. If 20 % of a population show a certain property this cannot be a disadvantage. Boyce says reactivity can be explained through nature in combination with influences of the environment (nurture), some of which can already affect an unborn child.

After the general introduction, the film works off each of the most important traits of highly sensitive people which Aron describes by employing the acronym DOES: Debt of processing, Overstimulation, Emotional Reactivity, and Sensing the Subtle. Aron stresses in this context that shyness is often confused with high sensitivity; she says that there is a general danger of misdiagnoses.

The neuroscientist Bianca Acevedo says that in an HSP, who is exposed to stimuli, certain areas of the brain are activated to a stronger extent which is an indication for a higher debt of processing. This does not go for the amygdala, though, which is the reason why HS probably is not a disorder related to anxiety.

Overstimulation, Aron says, can be a source of frustration and confusion for the HSP as well as his/her environment. The singer Alanis Morissette says in an interview that her peers wanted to exploit the positive sides of her sensitivity but rejected the negative ones. She says she suffered meltdowns and breakdowns at the time when she did not live bearing in mind her high sensitivity.

Aron stresses that emotionality is not to be confused with irrationality: You think more thoroughly about issues you care about.

The psychologist Jadzia Jagiellowicz says that HSPs are able to draw parallels between new perceptions and old experiences that are not obvious due to the subtle processing of stimuli. She says that this produces creativity. Brain scans of HSP show greater activity in the insula, which leads to the conclusion that sensitive people are more "aware".

In the – so to speak – second part of the film it discusses the "classical" subjects children and work – love is omitted (and supposed to be subject of a second film that is produced at the moment).

Pluess reports on his concept of the differential susceptibility theory. Research has shown, he says, that sensitive children suffer more from negative childhood experiences but also profit more from positive treatment. A lack of acceptance by parents who are not highly sensitive is presented as a general problem of highly sensitive children; this might strengthen insecurities. Ted Zeff stresses that due to cultural stereotypes highly sensitive boys have potentially greater problems than girls.

Aron says the needs of highly sensitive people at work do not differ fundamentally from those of common employees: A little more quietness and a little more empowerment is needed. Careers of highly sensitive people often show changes and a tendency to self-employment. A manager says that highly sensitive people are good leaders because they do not overlook anything, keep themselves back to allow members of the team to harvest the fruits of their labor, and possess an inherent ability to say and do the right thing.

Meike Andresen of Bamberg University reports that highly sensitive people are usually not afraid of leadership functions. When high sensitivity is presented employers might get the wrong impression that highly sensitive people have special needs (like some handicapped people). Aron stresses that organizations require the specific competences of HSP and non-HSP.

In spite of (a few) kitschy play scenes the film comes across as well done not least cinematically. The lively presentation of the visualizations raises the funny question, though, if there might be too many stimuli that are shown in too short a period of time: one might wonder therefore if maybe this film about HSP might actually not be suitable for HSP. But the author of this review watched it with interest and without irritation and was under the impression that the opus was very rich: the most important aspects of the subject (excluding love) are being discussed on a pleasantly high level. Good work.

Author: Dr Michael Jack
Published solely on the Internet in November 2016; preliminary version not yet proofred by a native speaker

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